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Sánchez feiert seinen Haushalt
Spaniens Minderheitsregierung geht mit einem Etappensieg und absehbaren Widerständen ins neue Jahr
Die spanische Regierung ist in Feierstimmung ins neue Jahr gerutscht. Das hat damit zu tun, dass das Parlament noch vor dem Jahresende den Haushalt von Regierungschef Pedro Sánchez abgesegnet hat. Die Regierung habe im zweiten Jahr in Folge »frist- und formgerecht« den Etat verabschiedet, was es »seit 2014 nicht mehr gegeben hat«. 15 Parteien haben dem Haushalt zugestimmt, der Ausgaben in Rekordhöhe von 240 Milliarden Euro vorsieht. Enthalten darin sind gut 26 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU.
»Die Regierung garantiert politische Stabilität«, sagt Sánchez. Er geht davon aus, dass er nun bis zum Ende der Legislaturperiode Ende 2023 weiterregieren kann. Zuvor war spekuliert worden, ob seine Minderheitsregierung das gleiche Schicksal wie im Nachbarland Portugal ereilt. Denn der Sozialist António Costa bekam für seinen Haushalt dort keine Unterstützung von Linksparteien, weshalb am 30. Januar in Portugal neu gewählt wird.
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Auf die Sánchez-Aussagen wenden Beobachter aber ein spanisches Sprichwort an: »Sag mir, mit was du prahlst und ich sage dir, was dir fehlt.« Sánchez ermahnte im Vorgriff seine bunte Truppe aus Unterstützern, demnächst im Parlament auch der gerade im Kabinett verabschiedeten Arbeitsmarktreform zuzustimmen. Er lehnt Änderungen am Dekret ab, das zwischen seiner Regierung, Unternehmern und den beiden großen spanischen Gewerkschaften ausgehandelt wurde. Es entspräche einem »gesunden Menschenverstand«, dass das Parlament diese Vereinbarung respektiere. Die linke Arbeitsministerin Yolanda Díaz, die den Koalitionspartner »Unidas Podemos« (UP) anführt, sprach angesichts der Verabschiedung des Dekrets von einem »historischen Tag« für die Beschäftigten.
Zuvor hatte der Chef des großen Arbeitgeberverbands CEOE gedroht, das Projekt fallen zu lassen, wenn »ein Komma verändert« werde. Antonio Garamendi sagte: »Wenn sich hier die Politik einmischt, werden wir sagen, dass dies nicht unsere Reform ist.«
Das Problem der Regierung ist, dass Gesetze nicht im Sozialpakt verabschiedet werden, sondern mit einer Parlamentsmehrheit. Sánchez’ Sozialdemokraten (PSOE) und die UP von Díaz haben nun definitiv ihr Wort gegenüber Wählern und Unterstützern gebrochen, dass die Arbeitsmarktreform der rechten Vorgänger aus dem Jahr 2012 »gestrichen« werde. Die Streichung wurde nach den Wahlen von der PSOE mit linken Unterstützern wie mit der baskischen Linkskoalition EH Bildu (Baskenland Vereinen) schriftlich vereinbart.
Bildu lehnt, wie die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) oder die christdemokratische Baskische-Nationalistische Partei (PNV) auch, diese Reform strikt ab. Der ERC-Sprecher Gabriel Rufián erklärte genervt, dass »viele Stunden« im Sozialpakt verhandelt wurde, aber »null Stunden« mit den Unterstützern. »Die Regierung verkauft heiße Luft«, fügte Rufián an, der darauf verweist, dass ohne die 13 Stimmen der ERC die Reform nicht durchgeht.
Auch der Chef von EH Bildu hat ein klares »Nein« ausgesprochen. Statt auf die Streichung pocht Arnaldo Otegi ohnehin nur noch darauf, die »schädlichsten Aspekte« der Reform zu ändern. Das war in den vergangenen Monaten schon die Sprachregelung der spanischen Gewerkschaften. »Nicht einmal das wird erfüllt«, erklärte Otegi nun. ERC und Bildu stehen unter massivem Druck der baskischen und katalanischen Gewerkschaften und ihrer Basis. Beide Parteien geben zwar Sánchez immer wieder ihre Stimmen, substanziell erreichen sie dafür aber nichts. Auch der versprochene Dialog zur Lösung des katalanischen Konflikts hat nie wirklich begonnen und wird mit stets weiter verschoben.
Dass es sich bestenfalls um ein Reförmchen handelt, meinen auch Unternehmensvertreter. Der Präsident des Verbands der Selbstständigen (ATA) sagt, dass »95 Prozent der Reform aus dem Jahr 2012 unangetastet« bleiben. Lorenzo Amor ist erstaunt, dass der PP-Chef Pablo Casado diese Reform ablehnt. Auch die FAES-Stiftung vom ehemaligen PP-Chef und Ex-Ministerpräsident José María Aznar meint, dass die »fundamentalen Elemente« der Reform aus dem Jahre 2012 beibehalten und sogar »konsolidiert« werden. Sánchez schielt deshalb zur Verabschiedung des Dekrets schon auf Stimmen im rechten Lager, vor allem auf die der neoliberalen Ciudadanos. Sollte seine Regierung aber in dieser zentralen Frage das bisherige Bündnis aufkündigen, ist eine Regierungsfähigkeit bis 2023 alles andere als garantiert, denn ERC und Bildu können dann eine weitere Unterstützung der Minderheitsregierung kaum noch rechtfertigen. Die spanische Linke hätte weiter »Glaubwürdigkeit eingebüßt«, wie Otegi meint.
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