• Berlin
  • Illegalisierte Einwanderung

Prozess um Zwangsprostitution von Vietnamesinnen

Sieben Monate nach einer Großrazzia stehen drei Personen vor dem Landgericht, denen Schleusung und Ausbeutung vorgeworfen wird

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.

Rund sieben Monate nach einer großen Razzia in mehreren Bundesländern und der Slowakei gegen mutmaßliche Schleuser hat am Montag vor dem Berliner Landgericht ein Prozess gegen zwei Frauen und einen Mann begonnen. Die Anklage lautet auf gewerbsmäßige Zwangsprostitution, Ausbeutung von Prostituierten, Nötigung, gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern und Verschaffen von falschen amtlichen Ausweispapieren sowie Nötigung und Betrug.

Unter Ausnutzung der Notlage der jungen Frauen soll eine 40-Jährige Termine mit den Freiern vereinbart und die Preise bestimmt haben. Ein 39-Jähriger soll bei der Ausbeutung der Frauen Hilfe geleistet haben. Die dritte Angeklagte habe an Schleusungen von vietnamesischen Staatsangehörigen unter anderem mittels unrechtmäßig erlangter Dokumente mitgewirkt.

Die Hauptangeklagte, die 39-jährige Vietnamesin Thi T., soll laut Anklageschrift in Berlin und weiteren Städten mehrere bordellartige Etablissements, meist in Wohnungen oder in den Hinterzimmern von Nagelstudios, betrieben haben. Sie habe für die Prostituierten die Termine mit Freiern organisiert und die Preise bestimmt. Die Frauen lebten allerdings illegal in Deutschland und hätten darum gar nicht arbeiten dürfen.

Der 38-jährige Angeklagte Oliver R., ein Deutscher, soll die Anzeigen und Fotos für die Prostituierten auf einschlägigen Seiten im Internet geschaltet haben, obwohl er von der Illegalität des Gewerbes wusste. Die dritte Angeklagte ist Huong G., eine 49-jährige slowakische Juristin aus Bratislava. Ihr wird zur Last gelegt, in den Jahren 2018 und 2019 Arbeitskräfte aus Vietnam in großer Zahl für eine Scheinfirma in der Slowakei angeworben zu haben. Die slowakische Botschaft in Hanoi hat die Arbeitsvisa auch ausgestellt.

Doch die Frauen arbeiteten nicht in der Scheinfirma, sondern wanderten weiter nach Deutschland und tauchten hier unter. Unter anderem in den von der Hauptangeklagten betriebenen Bordellen.

Ursprünglich war eine weitere Person angeklagt: Ein vietnamesischstämmiger Arzt aus Minden. Ihm wird vorgeworfen, sich um die Schwangerschaftsverhütung der nicht krankenversicherten Prostituierten gekümmert zu haben. Das Verfahren gegen ihn kann gegen eine Geldauflage von 10 000 Euro eingestellt werden, so das Gericht.

Strittig wird vor Gericht sein, ob es sich um Zwangsprostitution handelt, wie es in der Anklageschrift behauptet wird. Ihr zufolge haben die Angeklagten die finanzielle Notlage der Frauen ausgenutzt, die die hohen Summen für die falschen Arbeitsvisa von ihrem Arbeitseinkommen abstottern mussten. Den Frauen sei damit nichts anderes übrig geblieben, als sich zu prostituieren. Dem gegenüber steht, dass mehrere dieser Prostituierten auf selbstständiger Basis in diesem Beruf weitergearbeitet hatten, nachdem sie ein wenig Deutsch gelernt und sich einen Kundenstamm aufgebaut hatten. Es gibt auch Indizien, dass die Frauen in voller Kenntnis der Tatsache nach Europa gereist waren, dass sie in der Prostitution landen.

Das wahre Abhängigkeitsverhältnis vieler dieser Frauen ist eines, das im Strafgesetzbuch gar nicht vorgesehen ist: Sie sehen sich verpflichtet, ein Arbeitseinkommen zu erzielen, mit dem sie ihre armen Familien in Zentralvietnam versorgen können. Dieser Landstrich ist vom globalen Klimawandel und weiteren Umweltproblemen besonders hart betroffen, so dass dort viele Feldfrüchte nicht mehr wachsen und der Fischereiertrag zurückgeht. Seit einer ganzen Generation sehen junge Menschen dort ihre Chance in der Auswanderung. Legale Einwanderungsmöglichkeiten nach Europa gibt es allerdings kaum.

Der Prozess ist auf 15 Verhandlungstage angesetzt. Am Eröffnungstag deutete sich allerdings an, dass es auch deutlich schneller gehen könnte: Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht waren über eine sogenannte Verständigung im Gespräch. Das bedeutet, dass die Angeklagten Geständnisse ablegen, nachdem ihnen vorher ein ungefähres Strafmaß zugesichert wird. Die Staatsanwaltschaft hatte allerdings vorab erklärt, ein Strafmaß unter fünf Jahren für die Hauptangeklagte als problematisch anzusehen.

Sieht man sich in Freierforen im Internet um, erfährt man, dass es zahlreiche vietnamesische Prostituierte in Berlin gibt. Männer beschreiben sie als nicht mehr ganz jung und mitunter schon sichtbar schwanger. Die Preise liegen um die 50 Euro für eine halbe Stunde Sex und die Frauen scheinen ihre Kunden im Halbstundenrhythmus zu bedienen. Männer berichten jedenfalls, dass schon der nächste Kunde im Bett ist, während sie noch unter der Dusche stehen. Der illegale Status der Frauen ist den Kunden bewusst.

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