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Abschiebung von der Ölplattform
Shell übergab Dutzende Geflüchtete an tunesische Marine. Organisationen bezeichnen das als Menschenrechtsverletzung
Der Ölkonzern Shell hat am Dienstagnachmittag rund 70 Geflüchtete, die auf seiner Offshore-Plattform Miskar Schutz gesucht hatten, an die tunesische Marine übergeben. »Das ist eine Menschenrechtsverletzung und ein Verstoß gegen das Seerecht, da Tunesien nicht als sicherer Hafen gilt. Malta ist seinen rechtlichen Verpflichtungen zur Übernahme der Koordination nicht nachgekommen. Shell ist mitschuldig an dieser Menschenrechtsverletzung. Was wir heute erlebt haben, zeigt einmal mehr die hässliche Fratze von Europas migrationsfeindlicher Agenda«, sagte ein Besatzungsmitglied der »Louise Michel« zu »nd«.
Das Schiff hatte in der Nacht zum Dienstag 31 Menschen von einem im Mittelmeer treibenden Holzboot gerettet. Dutzende weitere waren demzufolge auf die Plattform geklettert, auf der sie seit Montagabend ausharrten. Laut Shell wurden sie dort mit Wasser, Nahrung und trockener Kleidung versorgt.
Am Dienstagnachmittag bestätigten sich die Befürchtungen der Rettungsorganisationen. Kurz zuvor hieß es auf dem Twitter-Account der »Louise Michel«: »Ein tunesisches Kriegsschiff ist vor Ort eingetroffen. Wir befürchten, dass die verbleibenden Menschen auf der Shell-Plattform illegal nach Tunesien zurückgebracht werden, das kein sicheres Land ist.« Die Initiative habe im Vorfeld die Behörden in Malta informiert und aufgefordert, die Koordination zu übernehmen.
Die Offshore-Plattform wird von Shell Tunisia Upstream Ltd. betrieben und befindet sich rund 120 Kilometer östlich der tunesischen Küste im Mittelmeer. Laut den Koordinaten der Plattform befindet sich diese allerdings innerhalb der maltesischen – und damit europäischen – Such- und Rettungszone (Search and Rescue, SAR). Diese Zonen regeln die Zuständigkeit zur Seenotrettung zwischen den europäischen Vertragsstaaten. »Im Falle eines illegalen Pullbacks macht sich Shell Germany der Mittäterschaft schuldig«, schrieb Sea Watch auf Twitter.
Das Unternehmen äußerte sich nicht direkt zu den Vorwürfen. Man habe sich an die Vorgaben der tunesischen Behörden für Notfälle gehalten, sagte eine Sprecherin gegenüber »nd«. Shell habe diese informiert und eng mit ihnen zusammengearbeitet, »um die Sicherheit der Menschen an Bord und unserer Mitarbeiter zu gewährleisten«. Die Migranten seien »sicher an das Schiff der tunesischen Marine übergeben« worden, betonte die Unternehmenssprecherin.
In der Europäischen Union gibt es keine einheitliche Liste von Ländern, die als »sichereres Herkunftsland« eingestuft werden. Tunesien gilt in neun Ländern als »sicher«, darunter die Niederlande, wo Shell seinen Hauptsitz hat. Deutschland ist nicht darunter. Hier hat der Bundestag 2019 eine solche Einstufung für Tunesien, Algerien, Marokko sowie Georgien beschlossen, der Bundesrat hat dem aber bisher nicht zugestimmt. Grund dafür sind Zweifel an der tatsächlichen Sicherheit der Staaten, insbesondere für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans, inter und queer Personen (LGBTIQ), Frauen, Journalist*innen und gewerkschaftlich Aktive.
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Alarmiert worden war das Rettungsschiff »Louise Michel« von der »Seabird«, dem Flugzeug der Seenotrettungsorganisation »Sea Watch«. Es überwacht den Mittelmeerraum, um Flüchtende in Not ausfindig zu machen. Im vergangenen Jahr waren dort nach Schätzungen des UNHCR von Januar bis November mehr als 2500 Menschen gestorben. Neben der Route über das Mittelmeer versuchen immer mehr Menschen jene über den Atlantik auf die Kanarischen Inseln zu nutzen, um Europa zu erreichen. Nach Schätzungen der spanischen Hilfsorganisation Caminando Fronteras starben auf dieser Route 2021 rund 4400 Menschen bei dem Versuch, spanisches Territorium zu erreichen, so viele wie nie.
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