• Politik
  • Verschärftes Polizeigesetz

Angriff auf Bürgerrechte

In Großbritannien soll die Polizei weitreichende neue Befugnisse erhalten

  • Peter Stäuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Der geplante Ausbau der Polizeibefugnisse in Großbritannien trifft auf viel Protest.
Der geplante Ausbau der Polizeibefugnisse in Großbritannien trifft auf viel Protest.

Die britische Regierung inszeniert sich gern als wackere Freiheitskämpferin. Premier Boris Johnson redet konstant von den »neuen Freiheiten«, die der Brexit dem Land beschert habe, und während der Pandemie bestand seine größte Sorge offensichtlich darin, dass den Britinnen und Briten unnötige Vorschriften gemacht werden könnten. »Einschränkungen unserer Freiheiten müssen das absolut letzte Mittel sein«, um die derzeitige Omikron-Welle zu brechen, sagte Gesundheitsminister Sajid Javid am Wochenende. Aber während die Regierung solch große Worte spricht, verfolgt sie einen zunehmenden Autoritarismus, der die Rechte der Bürger immer stärker beschneidet.

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist ein drakonisches Gesetz, mit dem Innenministerin Priti Patel auf die Unterbindung friedlicher Proteste abzielt. Die sogenannte Policing Bill, die derzeit durchs Parlament geht, gibt der Polizei weitreichende neue Befugnisse. So sollen Personenkontrollen erleichtert werden - die Polizei bräuchte nicht einmal einen Verdacht, dass jemand eine Straftat begangen hat, um die Person zu filzen. Zudem wird das Recht, sich frei zu bewegen, stark eingeschränkt: Wer sich ohne die Einwilligung des Besitzers auf einem Grundstück aufhält, macht sich strafbar - eine Regelung, die offensichtlich auf Fahrende und Roma abzielt.

Insbesondere nimmt das Innenministerium friedliche Demonstrationen ins Visier: Die Polizei kann laut dem neuen Gesetz genaue Anfangs- und Endzeiten für Proteste vorschreiben, und sie darf eine Demo verbieten, wenn sie zu viel Lärm macht oder als »störend« empfunden wird. Selbst manche konservative Abgeordnete halten dies für völlig überzogen: Ein überparteilicher Parlamentsausschuss warnte im Juni, dass die Vorlage unter Umständen gegen das Recht auf Protest verstößt - und damit einen Bruch der Menschenrechte darstellt. »Es ist bedenklich, dass die Rhetorik [des Innenministeriums] die Unannehmlichkeiten, die Proteste zuweilen verursachen, in den Vordergrund stellt, und nicht den Wert, den sie für die Gesellschaft haben«, schreiben die Abgeordneten.

Dennoch verschärfte die Regierung im November die Vorlage noch - das Innenministerium reagierte offenbar auf Klimaprotestierende, die im Herbst Autobahnen blockiert hatten. So führte sie eine neue Klausel ein: Wer den Bau einer Straße blockiert oder sich während eines Protests ankettet, soll künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 51 Wochen bestraft werden. Laut diesen Bestimmungen könnte selbst Patels heutiger Chef in Konflikt mit den Strafbehörden geraten, sollte Boris Johnson wider Erwarten sein Versprechen von 2016 einlösen, sich vor die Bulldozer zu legen, um den Ausbau des Londoner Flughafens Heathrow zu stoppen.

Der Widerstand gegen die Gesetzesvorlage ist breit. Letztes Jahr protestierten Tausende immer wieder gegen die Policing Bill, in London, Glasgow, Bristol und anderen Städten. Bürgerrechtsorganisationen haben Alarm geschlagen. »Ein solch enormer und beispielloser Ausbau der Polizeibefugnisse würde zu viel Macht in die Hände des Staates legen«, schreibt Amnesty International. Ethnische Minderheiten, die in der britischen Strafjustiz bereits jetzt stark diskriminiert werden, würden noch mehr benachteiligt. Die Vorlage sei ein »Angriff auf unsere jahrhundertealten Rechte der Bewegungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit«, schreibt Amnesty, und »völlig unvereinbar mit dem Selbstbild Großbritanniens als ein Ort der Freiheit.«

Der Vorstoß des Innenministeriums kommt zu einem Zeitpunkt, da der Ruf der Polizei bereits stark ramponiert ist. Insbesondere die Londoner Polizeibehörde hat immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. Sie ist zum Beispiel rabiat vorgegangen gegen gewaltlose Proteste, etwa eine Mahnwache für Sarah Everard, die im März von einem Polizeibeamten ermordet worden war. Andererseits hat sie darauf verzichtet, offensichtliche Regelverstöße von Regierungsmitgliedern während der Covid-Lockdowns zu ahnden.

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