- Politik
- Proteste in Kasachstan
Der Unbewegliche
Kasachstans Staatspräsident Kassym-Schomart Tokajew in Not
Kann er Reform nicht oder will er nicht? Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew steckt in der Klemme: Seine Landsleute sind seit Tagen in Aufruhr, protestieren gegen steigende Energiepreise, vor allem aber gegen ein unbewegliches, autoritäres politisches System. In dieser brenzligen Lage fiel Tokajew zunächst nichts Besseres ein, als die Regierung nach Hause zu schicken, den Ausnahmezustand zu verhängen und das Internet teilweise zu blockieren. Dialogbereitschaft sieht anders aus.
Dabei hatte er zumindest verbal wagemutig angefangen. Am 20. März 2019 beerbte Tokajew den heute 81-jährigen Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew, versprach Reformen und eine Öffnung der politischen Arena auch für abweichende Positionen: »Wir sind dabei, die Angst vor anderen Meinungen zu überwinden«, erklärte er Ende 2019 im Überschwang. Meinungsverschiedenheiten seien kein »destruktives oder gesellschaftlich gefährliches Phänomen«. Passiert ist jedoch nicht viel. Es gab zwar Präsidentschafts- (2019) und Parlamentswahlen (2021), aber die gingen erwartungsgemäß zugunsten des amtierenden Staatschefs und seiner Partei Nur Otan (Licht des Vaterlands) aus - wohl auch dank kleiner Tricksereien, wie internationale Organisationen beklagten. Für eine echte Opposition ist in Kasachstan noch immer kein Platz. Die Menschen leiden unter Willkür und Korruption, und die Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven fließen am Großteil der Bevölkerung vorbei.
Als gelernter Diplomat sollte Tokajew geübt sein im Dialog und im Aushandeln von Kompromissen. Doch schon bei der Machtübergabe 2019 fragten sich politische Beobachter, wie unabhängig er in seinen Entscheidungen sein könne: Groß geworden im Schatten Nasarbajews, spürt der 68-Jährige dessen langen Arm bisweilen noch auf seiner Schulter. Dass er es ernst gemeint hat mit der politischen Öffnung, kann er jetzt beweisen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.