• Berlin
  • Liebknecht-Luxemburg-Ehrung

Am Sonntag zu Karl und Rosa

Stilles Gedenken in Friedrichsfelde und Demonstration jeweils ab 10 Uhr

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Es ist, so weit ich sehen kann, einstimmig - mit Ausnahme eines einzigen Abgeordneten.« So vermerkt es das Protokoll der Reichstagssitzung vom 2. Dezember 1914. Es ging um einen Kriegskredit von fünf Milliarden Mark. Der eine, der sich beim ersten Kriegskredit im August noch der Fraktionsdisziplin beugte, aber nun mutig gegen den zweiten Kredit stimmte, das war der Abgeordnete Karl Liebknecht (SPD). Am 15. Januar 1919 wurde Liebknecht von rechten Freikorpssoldaten ermordet - so wie Rosa Luxemburg.

Der beiden Toten wird jedes Jahr am zweiten Sonntag im Januar auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde gedacht. Am 9. Januar ist es nun wieder so weit. Der Aufruf zur Demonstration steht unter der Überschrift: »Gegen imperialistische Kriege! Für Frieden und Völkerverständigung!« Darin heißt es: »In Zeiten, in denen der US-amerikanische Präsident Biden offen einen echten Krieg mit einer anderen Großmacht« - gemeint ist China - »in den Raum stellt, wird der Zusammenhang von Krieg und Kapitalismus so deutlich wie lange nicht mehr. Es droht ein dritter Weltkrieg.« Dem Kapitalismus sei jede Barbarei zuzutrauen.

Friedlich wollen Linke unterschiedlicher Strömungen gemeinsam demonstrieren. Organisiert wird der Aufzug vom sogenannten LL-Bündnis. Treffpunkt ist um 10 Uhr der U-Bahnhof Frankfurter Tor. Von dort geht es nach Friedrichsfelde. Die Liste der Unterstützer verzeichnet etwa den Kurdisch-Deutschen Freundeskreis Münsterland, das Marxistische Forum der Linken und Nick Brauns vom Hans-Litten-Archiv, zudem Alexander King aus dem Berliner Abgeordnetenhaus und Rüdiger Deißler aus dem Bezirksparlament Charlottenburg-Wilmersdorf (beide Linke).

Anmelder Klaus Meinel rechnet unter den Bedingungen der Corona-Pandemie mit 3000 Teilnehmern wie im Vorjahr, würde sich aber selbstverständlich über mehr freuen, wie er dem »nd« sagt. Zum Hygienekonzept gehöre Masketragen und Abstandhalten, auch das Desinfizieren des Mikrofons, wenn sich die Redner auf dem Lautsprecherwagen abwechseln.

Maskenpflicht und Abstandsregel gelten auch beim stillen Gedenken auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde an der Gudrunstraße, wo sich die Gedenkstätte der Sozialisten befindet. Neu ist hier in diesem Jahr, dass das stille Gedenken um 10 Uhr beginnt und nicht um 9 Uhr wie in früheren Jahren, erklärt Sebastian Koch. Er ist Landesgeschäftsführer der Berliner Linken, die ihre Mitglieder und Sympathisanten auffordert, sich an der Ehrung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu beteiligen. Im vergangenen Jahr verschob Die Linke das stille Gedenken wegen der Ansteckungsgefahr vorsichtshalber auf den 14. März.

Das LL-Bündnis entschied sich dagegen nach gründlicher Abwägung, die Demonstration wie gewohnt am zweiten Sonntag im Januar stattfinden zu lassen. Davon abgesehen kamen zu diesem Termin auch sonst noch Leute zur Gedenkstätte der Sozialisten, zum Beispiel Dagmar Enkelmann und Daniela Trochowski vom Vorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die einen Kranz niederlegten. »Schade«, kommentierte Trochowski, dass das stille Gedenken verschoben wurde. »Mit einem Hygienekonzept wäre es vielleicht möglich gewesen«, meinte sie.

Das Hygienekonzept der Demonstration wurde dann von der Polizei torpediert. Sie erinnerte die Teilnehmer zwar an die Corona-Auflagen, sorgte aber mit ihrem eigenen Verhalten dafür, dass sich junge Leute am Sammelpunkt in einem Marschblock Schulter an Schulter zusammenschlossen: Beamte hatten mehrere Menschen ihrer FDJ-Fahnen wegen rüde zur Feststellung der Personalien herausgezerrt. Erst danach rückten die Demonstranten eng zusammen, um die FDJler vor dem Zugriff zu schützen. Vor Ort behauptete die Polizei, die Symbole der FDJ dürften nicht gezeigt werden. Die Freie Deutsche Jugend sei illegal. Die Argumentation gründete sich auf das 1951 in der Bundesrepublik erfolgte Verbot der FDJ. Doch das in der DDR verwendete Symbol mit gelber Sonne ist zulässig. Im Aufruf zur Demonstration 2022 heißt es: »Gerade nach den brutalen Angriffen der Polizei auf unsere jüngste Demonstration im Januar 2021 sagen wir: Jetzt erst recht! Unsere Solidarität ist stärker als staatliche Repression.«

Die Polizei erklärt auf Nachfrage, im Kontext der bevorstehenden Luxemburg-Liebknecht-Ehrung »dürfte eine strafrechtliche Relevanz des Zeigens von FDJ-Symbolen grundsätzlich zu verneinen sein«. Gleichwohl komme es immer auf die genauen Umstände des jeweiligen Einzelfalls an.

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