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Der Euro schreibt (k)eine Erfolgsgeschichte
Vor 20 Jahren wurde zunächst in zwölf Staaten der Europäischen Union der Euro als Bargeldmittel eingeführt
Der Trend, Leitzinsen wieder anzuheben, setzt sich in dieser Woche fort. Polens Notenbank intensivierte ihren Abwehrkampf gegen die steigende Inflation: Der Zentralbankrat in Warschau hob auf seiner um eine Woche vorgezogenen Sitzung am Dienstag den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 2,25 Prozent an. Eine solche restriktive Geldpolitik würde auch dem neuen Chef der Deutschen Bundesbank gefallen. Diesen Freitag händigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem designierten Bundesbankpräsidenten Joachim Nagel in Berlin dessen Ernennungsurkunde aus.
Die Entscheidung pro Nagel haben der neue Kanzler und sein Finanzminister untereinander abgesprochen. Dass der Sozialdemokrat Nagel auch für den wirtschaftsliberalen Christian Lindner (FDP) tragbar ist, liegt an dessen kritischer Sicht auf die Europäische Zentralbank (EZB). In seinen sechs Jahren, die Nagel schon im Vorstand der Bundesbank verbrachte, blieb er stets skeptisch gegenüber den Käufen von Staats- und Unternehmensanleihen, mit der die EZB auf die Finanz- und Eurokrise reagiert hatte. Als Nagel 2016 ausschied, um zur staatlichen Förderbank KfW zu wechseln, dankte Jens Weidmann ihm überschwänglich für die geleistete Arbeit.
Weidmann hat Ende Dezember auf eigenen Wunsch seinen Präsidentensessel in Frankfurt am Main geräumt. Doch Nagel gilt wie sein Vorgänger in Fachkreisen als »Falke«, der gerne Leitzinsen erhöhen und Anleihekäufe runterfahren möchte. »Tauben« wie die frühere Wirtschaftsweise Isabel Schnabel, die auch als Kandidatin für die Bundesbankspitze galt, stehen dagegen für eine expansive Geldpolitik, halten die Inflationsrisiken für überschaubar und betonen die Vorteile von Anleihekäufen und niedrigen Zinssätze. Dadurch werde während der Coronakrise die Finanzierung der Wirtschaft gesichert, weil Kredite preiswert bleiben, so das Argument der »Tauben«. Und auch die Staatshaushalte profitieren davon, weil sie ihre üppigen Rettungspakete leichter finanzieren können. Kollateralschäden, wie die niedrigen Zinssätze für Sparguthaben und rasant steigende Aktienkurse, werden von den »Tauben« in Kauf genommen.
Trotz Joachim Nagel wird die EZB ihre expansive Geldpolitik 2022 fortsetzen. Nach Auffassung des EZB-Direktoriums kann Preisstabilität – das eigentliche Ziel der Notenbank – am besten gewährleistet werden, wenn ein Inflationsziel von zwei Prozent angestrebt wird – und zwar mittelfristig. Da in den vergangenen Jahren die Inflationsrate kaum gestiegen war, zeitweise sogar die Preise fielen, sieht die Mehrheit im EZB-Rat die seit wenigen Monaten hohe Inflation gelassen. Die am Donnerstag vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Zahl für vergangenes Jahr – die Verbraucherpreise stiegen voraussichtlich um 3,1 Prozent – sieht EZB-Präsidentin Christine Lagarde als temporäres Phänomen an, das in Kauf genommen werden kann.
Bereits für diesen Januar erwarten Beobachter einen Rückgang der Inflation – schon deshalb, weil dann die Preise nicht mehr mit den extrem niedrigen Werten aus dem ersten Coronajahr 2020 verglichen werden. Isabel Schnabel sitzt als Direktorin der EZB gegenüber Nagel am längeren Hebel. In der Geldpolitik sind ihm die Hände gebunden, sie wird von der EZB gesteuert. Dort sitzt Nagel künftig von Amts wegen in dem 25-köpfigen Rat, mit dem sich EZB-Präsidentin Lagarde bespricht, aber er ist dort nur einer unter vielen.
Und die »Tauben«-Mehrheit sieht im Rückblick ihre Politik als erfolgreich an. Am 1. Januar jährte sich die Einführung von Euro-Banknoten und Münzen zum zwanzigsten Mal. Der Euro hat Wirtschaften und Reisen in Europa erleichtert und geholfen, den Handel im Europäischen Binnenmarkt weiter zu vertiefen. Rund die Hälfte ihres Außenhandels wickeln die Euroländer innerhalb der Eurozone ab. Zudem konnte die europäische Gemeinschaftswährung ihr Stabilitätsversprechen einlösen, auch gegenüber dem Dollar.
Die Inflationsrate in der Eurozone schwankte seit der Euro-Einführung auf moderatem Niveau von zwei Prozent. Das anfänglich als »Teuro« verspottete Zahlungsmittel blieb also im Zielrahmen. Sogar aus deutscher Perspektive hat sich der Euro als stabil erwiesen: Die D-Mark-Ära war im Schnitt inflationärer als die Zeit seit 1999.
»Dennoch gibt es keinen Anlass für freudige Euro-Geburtstagsfeiern«, gießt Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Wasser in den Wein. Europas Gemeinschaftswährung habe zentrale ökonomische Hoffnungen nicht erfüllt. Für Südeuropa hat die Währung nicht den erhofften anhaltenden Aufschwung gebracht. Nach einigen wenigen guten Jahren hat der Euro stattdessen für Länder wie Italien oder Griechenland eine lange Phase der Stagnation und der Krisen eingeleitet. Osteuropäische EU-Länder, die wie Polen dem Euro nicht beigetreten sind, haben die Südeuropäer beim Wachstum weit abgehängt.
Trotz einiger Versuche von Politik und EU-Kommission wird die gemeinsame Währung bis heute nicht durch eine gemeinsame Fiskalpolitik unterstützt. Wie viele Ökonomen kritisiert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, dass der Euro auf »halbem Wege« stehen geblieben sei. Da die Länder gesamtwirtschaftlich sehr unterschiedlich sind, müsse die Geldpolitik zumindest in ruhigen Zeiten für das eine Land zu restriktiv, für ein anderes zu lax sein.
Dies ist auch der wichtigste Grund, warum Länder wie Schweden, Dänemark, die Tschechische Republik, Ungarn, Rumänien und eben Polen weiterhin auf geldpolitische Souveränität bauen. Als letztes Land kam 2015 Litauen zur Währungsgemeinschaft. Im kommenden Jahr will Kroatien den Euro einführen, später wohl Bulgarien.
Die Zustimmung zum Euro steigt laut Umfragen der EZB, in der Eurokrise 2010/11 war sie stark zurückgegangen. Anlässlich des Jubiläums gab die EZB bekannt, dass sie ihren Euroscheinen ein neues Aussehen verpassen will. In fünf Jahren will sie einen digitalen Euro präsentieren, um Kryptowährungen wie dem Bitcoin zu trotzen. Und auch die Inflation bleibt ein spannendes Thema.
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