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Von Corona überschattet
Am Donnerstag beginnt der Jahreshöhepunkt der Handballer: die EM 2022
380 in der Slowakei, 376 in Ungarn: Die Sieben-Tage-Inzidenz in den Ausrichterländern der Handball-Europameisterschaft lag am Mittwoch etwa in dem Bereich der Bundesrepublik (407). Weil die Omikron-Variante des Covid-Erregers zu Jahresbeginn den gesamten Kontinent in Atem hält, überschattet sie den Jahreshöhepunkt der Handballer. Vor den ersten Partien der Veranstaltung am Donnerstag wird weniger über Favoriten oder Sprungwürfe diskutiert, sondern über Hygienekonzepte und Quarantänezeiten.
»Wir haben an verschiedenen Stellen noch einmal nachgeschärft«, sagt Martin Hausleitner, Generalsekretär des europäischen Verbandes (EHF). Die EHF vertraut den Maßnahmen der Ausrichternationen und den jeweiligen Regierungen.
Diese haben beschlossen, trotz der hohen Inzidenzen Zuschauer in den Arenen zuzulassen. In der Slowakei, wo die deutschen Handballer in der Vor- und einer möglichen Hauptrunde in Bratislava antreten, ist eine Auslastung von 25 Prozent in den Hallen erlaubt, dabei gilt eine 2G-Regelung sowie die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske. In Ungarn gibt es hingegen keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Kapazitäten, für den Einlass ist eine 3G-Regelung vorgesehen.
Wie bei der Fußball-EM im vergangenen Sommer dürfen laut Entscheid der Regierung von Viktor Orbán alle Plätze belegt werden, sodass es für die TV-Zuschauer in Deutschland und anderswo unerwartete Bilder von vollen Arenen und Euphorie geben wird, wenn die ungarische Mannschaft antritt. Erstmals ist der Co-Gastgeber am Donnerstag gegen die Niederlande gefordert und hat bislang keinen Corona-Ausfall zu beklagen.
Allein aus jenen Akteuren, die zum Turnierstart wegen einer Corona-Infektion fehlen, könnte man eine Mannschaft zusammenstellen, die zu den Titelkandidaten zählen würde. Die kroatischen Superstars Domagoj Duvnjak und Luka Cindric sind zunächst ebenso zum Zuschauen verdammt wie Jannick Green (Dänemark), Hampus Wanne (Schweden), Valentin Porte (Frankreich) oder das halbe serbische Nationalteam. Bei elf von 24 Nationen sind im Vorfeld der EM offiziell Infektionen aufgetreten, bei drei weiteren gibt es »unbekannte Gründe« für den Ausfall von Spielern. Dieser Stand hatte Dienstagmittag Gültigkeit.
Infektionsfrei ist hingegen bislang der deutsche Tross geblieben. Wie bereits bei der Herren- und Frauen-WM im vergangenen Jahr scheint die Hygienestrategie innerhalb des Deutschen Handballbundes (DHB) zu greifen. »Ich fühle mich manchmal wie der Karl Lauterbach des deutschen Handballs«, sagt Axel Kromer, der Sportvorstand beim DHB. Lieber würde Kromer über die sportlichen Aussichten der umformierten deutschen Mannschaft sprechen, aber der Fokus der Öffentlichkeit ist auf Omikron und die Gefahren einer Ansteckung ausgerichtet. »Wir müssen den Sport in den Mittelpunkt rücken«, wünscht sich der Sportvorstand.
Kromer hofft darauf, dass weitere Infektionen ausbleiben, sobald das Turnier gestartet ist. Bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Ägypten gab es im Vorfeld der Veranstaltung Horrormeldungen, währenddessen aber kaum noch Ansteckungen. Auf einen ähnlichen Ablauf hoffen alle Beteiligten. Sicher ist sich dessen aber niemand. »Von einem auf den anderen Tag kann das Turnier für jeden von uns schon vorbei sein«, sagt der deutsche Nationalspieler Julius Kühn. Jeder Coronatest kann das Ende des EM-Traums bedeuten, für jeden einzelnen Akteur, auch wenn die Mindestquarantänezeit für die Spieler von 14 auf fünf Tage reduziert wurde.
Bob Hanning macht bei der Suche nach den Favoriten der Europameisterschaft eine ganz eigene Rechnung auf. »Wer ohne Corona-Infektionen bleibt, wird gewinnen«, sagt der Manager der Berliner Füchse. Es dürfte in der Tat zu unerwarteten Resultaten kommen, sofern eine oder mehrere Mannschaften durch einen Corona-Ausbruch im Team geschwächt werden. Alle teilnehmenden Nationen stehen vor mehr Unwägbarkeiten als in den vergangenen Jahren.
Dennoch werden den Franzosen als aktuellem Olympiasieger und Dänemark als amtierendem Weltmeister die größten Chancen eingeräumt, am 30. Januar nach dem Endspiel in der 20 000 Zuschauer fassenden Arena in Budapest den EM-Pokal überreicht zu bekommen. Neben den Ungarn, die beim Turnier im eigenen Land überraschen wollen, zählen Norwegen, Kroatien und wieder einmal Spanien. Der Europameister von 2018 und 2020 hat einen personellen Umbruch hinter sich, könnte aber wie vor vier oder zwei Jahren im Laufe des Turniers über sich hinauswachsen. Zumindest dann, wenn das Team von Corona-Infektionen verschont bleibt.
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