Kein Durchbruch in Wien

Auch die dritte Gesprächsrunde über den Ukraine-Konflikt endet ohne eine Verständigung

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch die erste Sitzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in diesem Jahr stand ganz im Zeichen des Ukraine-Konflikts und von Moskau geforderter Sicherheitsgarantien. »Das Risiko für einen Krieg im OSZE-Gebiet erscheint größer denn je in den vergangenen 30 Jahren«, warnte Zbigniew Rau, polnischer Außenminister und aktueller OSZE-Vorsitzender, am Donnerstag bei einem Treffen des ständigen Rates der Organisation in Wien. Die Krise an der ukrainischen Grenze bedrohe Stabilität und Sicherheit des gesamten europäischen Systems. Die OSZE mit ihren 57 Mitgliedsländern - darunter Russland - müsse daher als Plattform genutzt werden, um die Spannungen in der Region zu reduzieren. Die OSZE böte den notwendigen Rahmen, um die »Sicherheitsbedenken einzelner Staaten« zu erörtern und vertrauensbildende Maßnahmen auf den Weg zu bringen, erklärte Rau.

Weniger diplomatisch drückte sich Alexander Lukaschewitsch aus, Russlands ständiger Vertreter bei der OSZE. Die Organisation zeige Anzeichen »systematischer Degradierung«, zitiert ihn die russische Nachrichtenagentur Tass. Schuld daran seien die Vereinigten Staaten und die Nato. Deren Eindämmungspolitik gegenüber Russland habe zu einem »deprimierenden Zustand im OSZE-Raum« geführt.

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Die OSZE-Tagung an Donnerstag war nach dem amerikanisch-russischen Gipfel in Genf und der Sitzung des Nato-Russland-Rates in Brüssel bereits das dritte Gesprächsformat in dieser Woche, bei dem es um die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien vonseiten der Nato ging.

Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Treffen spielte die OSZE-Sitzung in den russischen Medien am Donnerstag eher am Rand eine Rolle. Vergleichsweise wenig Artikel erschienen zu dem Thema, auch die staatlichen Nachrichtenagenturen räumten der Gesprächsplattform nur wenig Platz ein. Die OSZE gilt dem Kreml als schwacher und zweitrangiger Akteur, die direkten Treffen mit den Amerikanern und den Vertretern der Nato-Staaten werden für wichtiger gehalten.

Die Berichterstattung konzentrierte sich stattdessen auf die Diskussion der wenigen Ergebnisse der Sitzung des Nato-Russland-Rates am Mittwoch. Die Diskussion sei äußerst schwierig gewesen, so der überwiegende Tenor in den Zeitungen. Die Nato sei von ihrer Politik der offenen Türen, wonach jedes Land einen Antrag zur Aufnahme in die Allianz stellen kann, nicht abgerückt. Gleichwohl habe das Bündnis eine Intensivierung der Kontakte zwischen beiden Seiten angeregt. So habe Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Russland beispielsweise vorgeschlagen, die russischen Nato-Vertretungen in Moskau und Brüssel wiederzueröffnen. Der Kreml hatte diese im vergangenen Oktober geschlossen - nachdem die Nato acht russischen Vertretern wegen Spionagevorwürfen die Akkreditierung entzogen hatte.

Der russische Vize-Außenminister Alexander Gruschko schloss diese Möglichkeit nicht aus - falls die Allianz ihr Konzept im Hinblick auf die Sicherheit Russlands ändere. Die Gespräche seien »ziemlich offen, direkt, tiefgründig und reichhaltig« gewesen», erklärte er während einer Pressekonferenz am Mittwoch. Trotzdem zeigte sich der Diplomat pessimistischer als sein Verhandlungspartner Stoltenberg. Unterschiede in grundlegenden Fragen seien geblieben. Es gebe keine «gemeinsame positive Agenda». Die Frage nach Sicherheitsinteressen sei aus Nato-Sicht nur im Hinblick auf die eigenen Bündnismitglieder legitim. Die Sicherheitsinteressen anderer Staaten würden dagegen nicht berücksichtigt. «Wenn die Nato zu einer Politik der Abschreckung übergeht, bedeutet dies, dass es eine Politik der Gegeneindämmung aus Moskau geben wird!»

Dass auch auf höchster politischer Ebene die Gesprächskanäle zur Nato - trotz Zurückweisung der zentralen russischen Forderung nach einem Nichtbeitritt der Ukraine zur Nato - weiterhin offen gehalten werden sollen, zeigt ein Artikel aus der «Rossijskaja Gaseta», dem Amtsblatt der russischen Regierung. «Es ist kaum möglich, an einem Tag eine Einigung über so komplexe Probleme zu erzielen wie die von Russland dargelegten», schreibt darin Sergej Jermakow, Politikwissenschaftler vom Russischen Institut für Strategische Studien. «Theoretisch besteht die Möglichkeit, für beide Seiten annehmbare Vereinbarungen zu treffen.» Dafür müsse die Nato allerdings erkennen, dass eine weitere Erweiterung nach Osteuropa die Sicherheit ihrer Mitglieder untergraben würde.

Gereizt reagierte der Kreml auf einen Vorstoß aus den USA, auch gegen hochrangige russische Entscheidungsträger Sanktionen zu erlassen - unter anderem gegen Präsident Wladimir Putin. «Die Verhängung von Sanktionen gegen ein Staatsoberhaupt würde eine Grenze überschreiten - das käme einem Abbruch der Beziehungen gleich», erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. Am Abend zuvor hatten Senatoren der Demokratischen Partei von US-Präsident Joe Biden einen Gesetzentwurf präsentiert, der Sanktionen gegen Putin, Regierungschef Michail Mischustin, ranghohe Militärvertreter und den russischen Bankensektor vorsieht. Die Strafmaßnahmen sollen in in Kraft treten, falls Russland die Ukraine attackieren sollte.

Die OSZE-Sitzung in Wien endete ohne einen diplomatischen Durchbruch. Der US-Vertreter bei der OSZE, Michael Carpenter, regte einen Informationsaustausch zwischen den Streitkräften und vertrauensbildende Maßnahmen an. Russland beharrte auf einer baldigen Entscheidung über seine Forderung nach Sicherheitsgarantien. Ohne ein Einlenken der US-Seite gebe es keine Grundlage für weitere Gespräche, so Vize-Außenminister Sergej Rjabkow.

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