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Ausländische Mächte heizen Krieg an
Im Jemen eskalieren die Kämpfe mal wieder, der UN fehlen Milliarden für das Ernährungsprogramm
Die Zahlen sind gewaltig: Mindestens 15 000 Menschen wurden allein in den vergangenen vier Wochen vertrieben, seit Mitte Dezember starben mindestens 325 Zivilist*innen. Wobei dies nur die Zahl ist, die der Rote Halbmond erfasst hat. Tatsächlich dürfte sie höher liegen. »Es ist eine der schwersten Eskalationen seit Beginn des Krieges«, sagt der UN-Sondergesandte Hans Grundberg, bereits der Dritte in diesem Amt seit 2014.
Die Lage im Jemen ist extrem unübersichtlich: Der Süden steht offiziell unter Kontrolle einer Organisation namens »Südlicher Übergangsrat«, die Gegend rund um die Hafenstadt Aden wird von den Truppen des international anerkannten Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi kontrolliert. Und im Norden haben die vom Iran unterstützten Huthi-Milizen das Sagen. Mittendrin kämpfen zudem Milizenverbände, die teils der Regierung zugerechnet werden, teils ständig die Loyalitäten wechseln.
Wie schon sein Vorgänger Martin Griffiths versucht auch Grundberg nun, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Doch Quellen bei den UN geben sich regelrecht resigniert: Es gebe einfach zu viele Beteiligte, zu viele verschiedene Interessen und zu wenig Wille in der internationalen Gemeinschaft, sich mit dem Jemen zu befassen, heißt es. Nicht mal ein ordentliches Budget habe der UN-Sondergesandte. Und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) braucht nach Angaben des stellvertretenden Generalsekretärs für humanitäre Angelegenheiten, Ramesh Rajasingham, 3,4 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 habe man gerade einmal 58 Prozent des Geldbedarfs decken können.
Die USA geben derweil dem Iran die alleinige Schuld an der Situation. Vor einigen Wochen hatte die US-Marine ein Schiff mit 1400 iranischen Gewehren und Munition abgefangen, die wahrscheinlich für die Huthi-Milizen bestimmt waren. Die Gruppe ist zurzeit in erbitterte Kämpfe gegen regierungsnahe Milizen verwickelt. Außerdem beschießen die Huthi immer wieder Ziele in Saudi-Arabien. Anfang Januar besetzten sie im Roten Meer sogar einen Frachter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), der je nach Darstellung medizinische Güter (Saudi-Arabien) oder Waffen (die Huthi) geladen hatte. »Der illegale Strom an Waffen facht die Offensive an und verhindert ein Ende des Konflikts«, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, vor dem UN-Sicherheitsrat.
Doch längst ist der Iran nicht mehr der einzige ausländische Protagonist im Jemen: Während Saudi-Arabien die Hadi-Regierung mit Luftangriffen unterstützt, ist der »Südliche Übergangsrat«, der für einen unabhängigen Südjemen eintritt, eine Kreation der VAE, die trotzdem weiterhin offiziell der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz für Präsident Hadi angehören. Und um alles noch komplizierter zu machen, haben die VAE auch noch eine Miliz ausgebildet und ausgerüstet, die sich »Giganten-Brigade« nennt und aufseiten der Regierung Hadi kämpft.
Für Scheich Abdullah Bin Zayed Al-Nahyan, Außenminister der VAE, ist das kein Widerspruch: »Unsere Unterstützung gilt der Schaffung von Frieden und Stabilität im Jemen.« Er verweist darauf, dass sich Koordinierungsrat und Regierung schon vor Monaten auf ein Miteinander geeinigt haben. Doch Gespräche mit den Sprechern von Rat und Regierung lassen darauf schließen, dass es sich allenfalls um eine vorübergehende Bekanntschaft handelt: »Unsere Partnerschaft mit der Regierung und den befreundeten Regierungen im Kampf gegen die Huthi ist tief und fest«, sagt Ratssprecher Nizar Haitham. »Unser langfristiges Ziel ist es, einen unabhängigen Süden zu erreichen und im Frieden mit unseren Nachbarn zu leben.« Regierungssprecher Radschih Badi betont ebenfalls die »tiefe Freundschaft« mit dem Übergangsrat: »Die Wiederherstellung der nationalen Einheit des Jemen unter Führung von Präsident Hadi ist unser oberstes Ziel.«
Für den Moment jedoch machen Regierung, Übergangsrat und »Giganten-Brigade« gemeinsam gegen die Huthi mobil, denn die Besetzung des Frachters hat die Unterstützer im Ausland aufgeschreckt: Durch die Meerenge zwischen Jemen und Dschibuti verläuft eine der wichtigsten Schifffahrtsstraßen der Welt. Deren Blockade war bislang vor allem als theoretisches Szenario diskutiert worden, wenn es darum ging, auf die Notwendigkeit der Reduzierung des iranischen Einflusses auf die Huthi hinzuweisen. Nun könnte es real werden.
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