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Es geht nicht nur um Maaßen
Ein Abend mit der Werteunion: Wie die Rechten um Einfluss in der CDU ringen
Es sieht gemütlich aus bei Max Otte. Der Werteunion-Chef hat es sich am Montagabend vor einem prall gefüllten Bücherschrank bequem gemacht. Doch entspannt wirkt er nicht. »Die CDU ist vom Kurs abgekommen«, klagt er zu Beginn einer Onlineveranstaltung, auf der die Werteunion über die Rolle der CDU in der Opposition diskutieren will. Sie hat sich dazu illustre Gäste eingeladen: den rechten PR-Berater Moritz Hunzinger, den Politikwissenschaftler Werner Patzelt, die langjährige Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel - und, natürlich, Hans-Georg Maaßen, den ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes und gescheiterten Bundestagskandidaten.
Als einen »sehr guten und bekannten Spitzenjuristen« kündigt Moderator Martin Lohmann, ein rechter katholischer Publizist, den Stargast aus Südthüringen an. In dessen Hintergrund sind jede Menge verwaister Schreibtische und Bildschirme zu sehen, wie in einem leeren Großraumbüro. Ungefähr so muss man sich Maaßens aktuelle Position innerhalb der CDU vorstellen: Er würde das Raumschiff gern selbst lenken, doch ihm fehlt die Mannschaft. Der Ex-Geheimdienstler steht nach einem Post am Silvestertag, als er auf Twitter Falschinformationen über Corona-Impfungen verbreitete, zunehmend allein da. Selbst die Südthüringer Kreisverbände, die ihn einst aufgestellt hatten, sind mittlerweile von ihm abgerückt. Manche, so Bundesvorstandsmitglied Karin Prien und der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans, fordern sogar ein Parteiausschlussverfahren. Zwar sieht es danach erst einmal nicht aus, doch die Luft für Maaßen wird dünner.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Sein letztes Refugium ist die Werteunion, eine Vereinigung der ganz Rechten im Umfeld der CDU, die jedoch keine offizielle Vereinigung der Partei ist. Hier fühlt sich Maaßen wohl, hier ist er unter seinesgleichen. Und doch offenbaren sich an diesem Abend auch Tendenzen in Richtung einer Radikalisierung nach rechts, die bis in die höchsten Ebenen der Partei reichen.
Die radikalste Stimme der Runde ist Moritz Hunzinger, der seinen Rassismus offen zur Schau stellt: Er könne es nicht ertragen, wenn »unintegrierbare Muslime aus Steinzeitländern zu mir nach Deutschland kommen«. Er wolle »niemanden, der gendert«. Intendanten von Fernsehanstalten seien »zwangsernährt durch GEZ-Zahler«.
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Niemand widerspricht unmittelbar. Nicht Patzelt, nicht Maaßen. Erst Sylvia Pantel versucht, das Erscheinungsbild der öffentlichen Veranstaltung ein wenig geradezurücken. Es sei »irrelevant, wo jemand herkommt, wie jemand aussieht«, sagt sie - um sich sogleich gegen »unkontrollierte Einwanderung« auszusprechen. Interessant: Pantel saß acht Jahre lang im Bundestag und genauso lange im Bundesvorstand der Frauen-Union. Sie gehört zum Berliner Kreis, ebenso wie beispielsweise der bekannte Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Auf dem CDU-Parteitag am kommenden Wochenende kandidiert sie für den Bundesvorstand. Dass sie zugleich ganz offen mit Werteunionisten und Rassisten verkehrt, kann als Beleg dafür gelten, dass mit dem Scheitern von Hans-Georg Maaßen bei der Bundestagswahl der stramm rechte Flügel noch lange nicht vollständig isoliert ist. Vielmehr kämpfen die ganz Rechten weiter um Einfluss in der CDU.
Und Maaßen selbst? Der sieht immer noch kein Problem darin, einen Post des emeritierten Mikrobiologen und Corona-Verharmlosers Sucharit Bhakdi, der auch durch antisemitische Aussagen auffiel, geteilt zu haben. Vielmehr sieht er als Antisemiten Bezeichnete generell als Opfer. Antisemitismus sei in Deutschland »der allerallerschwerste Vorwurf, den man jemandem machen kann«, man sei dann »überhaupt aus dem demokratischen Diskurs ausgeschlossen«.
In Friedrich Merz, der auf dem Onlineparteitag zum neuen CDU-Bundesvorsitzenden gewählt werden wird, sieht Maaßen übrigens einen »Hoffnungsträger«. Zugleich attackierte Max Otte Altkanzlerin Angela Merkel, ohne ihren Namen zu nennen: Dass »die Dame«, wie Otte sie nannte, »durch und durch DDR« sei - »sie war Apparatschik, sie war Funktionär, sie war völlig sozialisiert im Sozialismus« -, verband er unmittelbar mit der Einschätzung, ihre Migrations- und Corona-Politik sei ein »Zerstörungswerk«. Offenbar glaubt die Werteunion, unter Merz an Einfluss gewinnen zu können. Es bleibt abzuwarten, wie dieser mit dem anhaltenden Buhlen von ganz rechts umgehen wird.
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