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Etwas weniger prekär

Von der Erhöhung des Branchenmindestlohns für Reinigungskräfte profitieren auch Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Unternehmen

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Fegen, schrubben, wischen, Müll ausleeren: In den Schulen, Büros, Krankenhäusern und Wohngebäuden Berlins sollen die 32 900 Beschäftigten der Gebäudereinigungsbranche für ein sauberes und hygienisches Umfeld sorgen - und stehen dabei bekanntlich unter einem ernormen Arbeits- und Zeitdruck. Ab diesem Jahr bekommen Reinigungskräfte für ihre Arbeit höhere Löhne: Der Branchenmindestlohn gibt nun ein Einstiegsgehalt von 11,55 Euro vor, im vergangenen Jahr waren es 11,11 Euro. Fachkräfte für Glasflächen und Fassaden erhalten 14,81 Euro, 2021 waren es 14,48 Euro. Ab 2023 steigt das Einstiegsgehalt für Gebäudereiniger*innen auf 12 Euro.

»Es handelt sich hierbei um die Mindestlöhne in der Gebäudereinigung. Weniger darf keiner mehr verdienen«, sagt Christian Stephan, Bezirksvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Berlin. Die Gewerkschaft legt daher allen Reinigungskräften nahe, ihre Lohnzettel auf die gesetzlich vorgegebene Erhöhung zu prüfen. Sollte jemand unter dem Branchenmindestlohn bezahlt werden, bietet die IG BAU Unterstützung an.

Hintergrund der Lohnsteigerung ist eine Einigung zwischen der IG BAU und dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks im November 2020. »Der Lohntarifvertrag ist Ergebnis mehrerer Verhandlungsrunden zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband«, so Gewerkschaftssekretär Markus Baumgartner zu »nd«. Der Branchenmindestlohn gilt bundesweit ohne Differenzierung nach Ost und West. Inwieweit die Einführung des höheren allgemeinen Mindestlohns an den Tarifen etwas ändere, sei noch nicht geklärt, sagt Baumgartner.

Sylke Probst ist Betriebsrätin beim Reinigungsunternehmen Gegenbauer Property Service in Berlin. Die letzten Tarifverhandlungen seien äußerst schwierig gewesen, sagt sie zu »nd«. »Wir mussten da verschiedene Aktionen durchführen, um zu zeigen, dass wir von dem Geld, das wir bekommen, nicht leben können. Vor allem nicht in der Rente«, sagt Probst. Die Arbeit in ihrem Unternehmen sei ausgesprochen hart, eine Reinigungskraft müsse am Tag 15 bis 20 Mietshausaufgänge putzen. »Uns rennen die Mitarbeiter weg. Gegenbauer Property Service bietet sogar Vollzeitstellen an und stellt direkt unbefristet ein, aber wir bekommen die offenen Stellen nicht besetzt«, sagt die Betriebsrätin. Es müsse sich auch gesellschaftlich etwas ändern, findet sie. »Reinigungskräfte werden nicht genug wertgeschätzt, wir sind noch immer die Unsichtbaren«, so Probst.

Die Lohnerhöhung in diesem Jahr wirke sich eher geringfügig auf den Kontostand des Reinigungspersonals aus. »Vielleicht 30 Euro netto mehr im Monat«, schätzt Probst. Trotzdem seien die Tariferhöhungen und die Allgemeinverbindlichkeit als Branchenmindestlohn wichtig. »Mein Betrieb ist nicht Teil der Innung und deshalb nicht tarifgebunden, also profitieren wir sehr davon«, sagt sie. Die Betriebsrätin rechnet damit, dass auch in den nächsten Tarifverhandlungen nach 2023 hart für bessere Löhne gekämpft werden muss: »So schlimm wie das letzte Mal war es noch nie, dass man da gegen so eine Wand bei den Arbeitgebern rennt. Ich glaube nicht, dass es beim nächsten Mal einfacher wird«, sagt sie.

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