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Kilde jagt nach Klassikern

Norwegens Alpinstar Aleksander Aamodt Kilde gewinnt in Kitzbühel das nächste große Rennen und ist nun Olympia-Favorit

  • Elisabeth Schlammerl, Kitzbühel
  • Lesedauer: 4 Min.

Es hat sich einiges verschworen gegen die Ausrichter der spektakulärsten Abfahrt der Welt, gegen Kitzbühel, gegen ganz Österreich. Die Pandemie natürlich, aber davon sind ja alle Ausrichter von Sportereignissen betroffen, fast alle. In Kitzbühel gibt es, anders als eine Woche zuvor in Wengen, an diesem Wochenende kaum Zuschauer, und damit fehlt die sonst so großartige Stimmung am Fuße des Hahnenkamms. Das Wetter wirbelte das Programm zusätzlich durcheinander - die für Samstag vorgesehene zweite Abfahrt wurde wegen des erwarteten Schneefalls bereits auf Sonntag verschoben. Und dann war da auch noch dieser Franzose.

Genau genommen waren es zwei und ein Norweger, die dafür sorgten, dass es bei der ersten Abfahrt am Freitag schon einmal nichts wurde mit wenigstens ein bisschen Partystimmung unter den knapp 1000 Gästen auf der Tribüne, die dort brav mit Maske und Abstand saßen. Mathias Mayer bereitete sich schon auf die Siegerehrung am Ende des Rennens vor, als Baise Giezendanner mit der hohen Startnummer 43 und der drittschnellsten Zeit den Österreicher noch vom Siegerpodest stieß. Die rotweißrote Begeisterung hatte schon zuvor ein bisschen gelitten, weil zunächst Aleksander Aamodt Kilde und kurz danach auch noch Giezendanners Teamkollege Johan Clarey schneller gewesen waren als Mayer.

Für den Norweger war es der erste Sieg auf der Streif in seiner Karriere, für den 41 Jahre alten Clarey bereits der dritte Podestplatz bei der Abfahrt im Tiroler Nobelskiort. Bisher sei Kitzbühel »ein bisschen meine Achillesferse« gewesen, sagte Kilde, weil er es immer schwierig fand, »hier schnell zu sein«.

Das Selektive der Streif, so die Kritik der meisten Athleten nach den Trainingsfahrten, habe nach einer Streckenmodifikation etwas gelitten. Die Verantwortlichen hatten den unteren Teil umgeplant. Dort war es immer wieder zu spektakulären und oft auch schweren Unfällen gekommen. Die Athleten müssen nun einen zusätzlichen Schwung vor der Einfahrt zur sogenannten Traverse einlegen, damit sie mit weniger Tempo in den Schlussabschnitt kommen. Aber damit habe man dieser Schlüsselstelle »komplett den Charakter genommen«, findet Josef Ferstl. »Man hat früher gesehen: Wer hat die Eier und fährt die Traverse in der Hocke, oder wer wird etwas passiver? Und jetzt gibt es nur die eine Linie zu fahren«, so der deutsche Abfahrer.

Die Fahrten sind im Schlussabschnitt somit nicht mehr ganz so spektakulär. Außerdem sei die Frage, sagt Ferstl, »ob es was bringt«, denn »wir bauen danach wieder ordentlich Geschwindigkeit auf Richtung Zielsprung«. Tatsächlich waren die Besten dort am Freitag mit knapp 140 Stundenkilometern unterwegs, also kaum langsamer als in den vergangenen Jahren.

Sieger Kilde hat sich dagegen schnell mit dem neuen Streckenprofil arrangiert und sich auf sein Ziel konzentriert, die Streif endlich zu bezwingen. Der Norweger hat schon fast alle Klassiker der Szene gewonnen: Beaver Creek, Gröden, in der vergangenen Woche Wengen - und nun endlich auch Kitzbühel. »Das ist eines der größten Rennen«, sagte er. Ein noch größeres wäre wohl nur das bei Olympia oder besser: die beiden schnellsten Rennen. Er ist sowohl in der Abfahrt als auch im Super-G einer der Top-Favoriten auf Gold in Peking.

Am nächsten kam von der deutschen Mannschaft den Schnellsten einer, der nur als Gast dabei war. Thomas Dreßen, der Streif-Sieger von 2018, plauderte ausgiebig mit dem neuen Kitzbühel-Sieger und klopfte ihm schließlich anerkennend auf die Schulter. Später gratulierte Rekonvaleszent Dreßen, der in Kitzbühel ein paar Trainingsfahrten abseits der Rennpiste absolvierte, auch Giezendanner sehr herzlich.

Den eigenen Kollegen musste er eher Mut machen. Auf der Suche nach dem richtigen Skigefühl, das ihnen in Wengen so plötzlich verloren gegangen war, sind die deutschen Abfahrer zwei Wochen vor den Olympischen Spielen nur ein ganz kleines Stück weitergekommen. Der 14. Platz von Dominik Schwaiger kann angesichts der nicht mehr so kleinen Ansprüche höchstens als Mini-Lichtblick bezeichnet werden. Ebenso, dass sich Andreas Sander nach dem 41. Platz in der Schweiz wieder ein wenig stabilisiert zu haben schein. »Es war ein kleiner Schritt nach vorne«, sagte der WM-Zweite von Cortina d’Ampezzo im vergangenen Jahr nach Rang 23 am Freitag, »aber leider zu klein.« Romed Baumann fand, sein Skifahren sei »eigentlich gar nicht so schlecht gewesen«, dafür aber die frühe Startnummer nach dem Schneefall am Morgen. So reichte es nur zum 25. Platz. Und Josef Ferstl bewältigte die Streif nach seinem Sturz im ersten Training mit einer Spur zu viel Respekt und verpasste als 33. die Weltcup-Punkte. »Wir haben am Sonntag ja noch eine zweite Chance«, sagte Baumann. Wenn das Wetter mitspielt.

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