- Politik
- Vorschläge für Rentenreform
Finanzierung der Renten: Hier ist das Geld
Wie auskömmliche Renten möglich sind: Wissenschaftler legen Vorschläge vor
In der öffentlichen Diskussion erscheint die Finanzierung von auskömmlichen Renten schwierig. Das liege auch daran, dass die Debatte auf einen vermeintlichen Generationenkonflikt verengt wird, betont der Verteilungsforscher Markus Grabka: Entweder Jüngere werden belastet durch höhere Beiträge oder Ältere, indem sie weniger Geld bekommen. »Viel relevanter als der Generationenkonflikt ist hierbei aber der Konflikt zwischen Arm und Reich«, sagt der Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Betrachtet man die Einkommensverteilung, erkennt man sofort Finanzierungsmöglichkeiten. »Ein Modell wäre, die Beitragsbemessungsgrenze abzuschaffen«, betont Grabka. »Warum zahlen Vorstandsvorsitzende von Konzernen nicht auf ihr gesamtes Einkommen Rentenbeiträge, so wie das auch in anderen Ländern der Fall ist?«
Die Vergütung von Konzernchefs
Nicht nur Normalverdienende, sondern auch Top-Manager sollen auf ihre gesamte Vergütung 18,6 Prozent in die Rentenkasse zahlen? Dieser Gedanke lädt dazu ein zu überschlagen, was das konkret bedeuten würde. Im Jahr 2020 betrug die Gesamtvergütung der Chefs von Konzernen aus dem Deutschen Aktienindex (Dax) im Durchschnitt 5,29 Millionen Euro pro Kopf. Würden auf das komplette Einkommen Rentenbeiträge fällig, flössen knapp eine Million Euro in die Rentenkasse, und zwar pro Dax-Chef. Dieses Szenario kann man weiter modellieren: Die Arbeitskosten für Konzernchefs würden dann insgesamt steigen, weil die Beiträge paritätisch finanziert sind und die Unternehmen zusätzlich eine halbe Million auf die Bruttovergütung der Manager zahlen müssten. Vielleicht wäre das den Unternehmen dann doch zu viel und sie würden von ihren Top-Managern eine gewisse Lohnzurückhaltung fordern. Selbst dann blieben zusätzlich Hunderttausende Euro für die Rentenkasse, pro Chef. Und viele weitere Millionen von anderen Top-Verdienenden.
Damit der Wohlstand dadurch tatsächlich etwas fairer verteilt wird, müsste die Politik gleichzeitig bei sehr hohen Einkommen die Rentenzahlungen dämpfen. Dazu könnte man in die Rentenformel einen »Fairnessfaktor« einbauen, zusätzlich zum bestehenden »Nachhaltigkeitsfaktor«, der die Altersbezüge von allen Leistungsbeziehenden dämpft, wenn die Zahl der Rentner schneller steigt als die Zahl der Beschäftigten.
Vorteil der Erwerbstätigenversicherung
Eine zweite Variante ist eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Selbstständige und neu eingestellte Beamte einzahlen. Ein Vorteil wäre hier, dass zunächst viele neue Beitragszahlende hinzukommen, die erst in Zukunft Altersrenten erhalten. Damit ließen sich laut Grabka gerade in den kommenden Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, stabile Altersbezüge solide finanzieren.
Der Sozialforscher Gerhard Bäcker von der Universität Duisburg-Essen plädiert dafür, höhere Beitragssätze nicht zu tabuisieren. Auch mit höheren Bundeszuschüssen ließe sich die Wohlstandsverteilung fairer justieren. Damit nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Einnahmen steigen, könnte der Staat hohe Erbschaften stärker besteuern und die Vermögenssteuer wieder erheben. Diese würde auch und gerade wohlhabende Ältere treffen: Unter den über 64-Jährigen ist der Anteil der Personen mit einem Vermögen über 500 000 Euro deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Rund sechs Prozent der älteren Menschen hatten zuletzt ein solches finanzielles Polster.
Die von der Ampel postulierte »generationengerechte« Politik bekäme mit solchen Modellen einen neuen Sinn: Die Politik würde innerhalb der Generationen mehr Fairness organisieren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.