• Kommentare
  • Beendigung der Wohnungslosigkeit in Berlin bis 2030

Schluss mit der Obdachlosigkeit

Das ambitionierte Ziel der Beendigung der Wohnungslosigkeit, kann nur erreicht werden, wenn alle an einem Strang ziehen - ein Kommentar

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Obdachlosigkeit ist in Berlin nicht zu übersehen. Jüngst sind mir zwei, drei Menschen aufgefallen, die ihre Betten auf dem »Prachtboulevard« Unter den Linden in Hauseingängen aufgeschlagen hatten. Notdürftige, unwürdige Schlafplätze bei dieser Kälte gibt es unter Brücken, in Hauseingängen oder in Ruinen. Im Hinterhof meines Hauses lebte in einer Art Schuppen einige Jahre ein Mann, der sein Geld mit eifrigem Flaschensammeln verdiente. Horst, wie ich ihn hier nennen möchte, war meistens bereits vor Sonnenaufgang unterwegs, um die Hinterlassenschaften der Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmer in unserem Kiez aufzulesen. Sein klappernder und klirrender Einkaufswagen war gegen 8 Uhr morgens, wenn andere zur Arbeit gingen, bereits randvoll mit Bier- und Pet-Flaschen gefüllt. Dass Horst im Hinterhof wohnte, wurde von den Nachbarinnen und Nachbarn unterstützt, auch die Hausverwaltung tolerierte es und wusste Bescheid. Ebenfalls durch deren solidarische Unterstützung hat Horst nun endlich eine Wohnung erhalten, er muss nicht mehr im Schuppen schlafen.

Eine Wohnung zu bekommen ist der Schlüssel, um aus der Obdachlosigkeit, aber auch aus der noch verbreiteten Wohnungslosigkeit zu gelangen. Denn in Berlin leben ja nicht nur einige Tausend Menschen auf der Straße, sondern auch Zehntausende in Heimen und Gemeinschaftsunterkünften. Eigentlich hätten sie wie viele Geflüchtete beispielsweise nach Abschluss ihrer Asylverfahren Anspruch auf eine Wohnung. Nur finden die zuständigen Bezirke keine, weil der Markt so angespannt ist. Die immer weiter steigenden Mieten für neue Wohnungen dürften dieses Problem verschärfen.

Das hatte bereits der letzte Senat erkannt, der einiges an Maßnahmen in die Wege leitete, um diese sozialen Missstände abzustellen. Nicht zuletzt mit dem Pilotprojekt »Housing First« wurde gezeigt, wie sinnvoll es ist, Menschen ohne Vorbedingungen erst mal ein Zuhause zur Verfügung zu stellen. Das Ziel, Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden, wird nur zu erreichen sein, wenn wie bei Horst Behörden und solidarische Nachbarinnen und Nachbarn zusammen an einem Strang ziehen. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die es anzupacken gilt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.