Antikolonialer Akt

Neue Einrichtung in Kapstadt soll Afrika bei der Impfstoffproduktion unabhängig vom Westen machen

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Campus für die Produktion von Impfstoffen soll Afrika bei Vakzinen künftig zum Selbstversorger machen, Fachpersonal ausbilden und bereits bis 2025 eine Milliarde Covid-19-Impfstoffdosen herstellen. Noch stehen die Räumlichkeiten in Kapstadt größtenteils leer, eingeweiht wurden sie trotzdem. Südafrikas Staatschef Cyril Ramaphosa nutzte die Feier für einige deutliche Seitenhiebe gen Westen.

»Koloniale Ketten« sprengen könne der Kontinent dank der eigenhändigen Produktion von Impfstoffen, hofft Ramaphosa. »Afrika soll nicht länger als Letzter in der Reihe stehen, wenn es um den Zugang zu Impfstoffen gegen Pandemien geht. Afrika soll nicht länger mit dem Hut in der Hand zum Westen laufen und um Impfstoff betteln«, wählte Südafrikas Präsident klare Worte. Stattdessen sei man entschlossen, unabhängig zu werden - und die neue Einrichtung sei der Beweis dafür.

Es braucht kein großes Talent im Zwischen-den-Zeilen-Lesen, um zu erkennen, dass die Enttäuschung über das Vorgehen des Westens tief sitzt - bei der Verteilung von Impfstoff und insbesondere über die Verweigerung einer temporären Freigabe von Patenten. Es ist noch keine acht Monate her, da gaben sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der damalige deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Pretoria die Ehre.

Macron versprach bei dem Besuch Ende Mai, bis Jahresende 30 Millionen Impfstoffdosen an die UN-Initiative Covax zu spenden, Spahn wollte sich daran beteiligen. Gespendet haben die Europäer anschließend tatsächlich, oft erhielten afrikanische Länder den Impfstoff jedoch derart unvermittelt und mit kurzen Resthaltbarkeitszeiten, dass er nicht mehr verwendet werden konnte. In etlichen Fällen wurden Spenden deshalb gar ablehnt.

Dem südafrikanischen Vorstoß für die Freigabe der Patente begegnete Spahn im Gespräch mit dem Sender Deutsche Welle damals gar mit der Weisheit, dass »die Produktion von Impfstoffen eines der komplexesten Dinge der Welt« sei und »man dazu wirklich wissen« müsse, »wie man es macht«.

Weil sie derlei Fähigkeiten in Afrika offensichtlich niemandem zutraute, setzte die Bundesregierung damals auf ein Programm »freiwilliger Partnerschaften«. Statt der Freigabe von Patenten sollte der Aufbau von Produktionskapazitäten in Südafrika mit 50 Millionen Euro gefördert werden. Im Juli 2021 entstand daraus eine Kooperation von Pfizer mit dem südafrikanischen Unternehmen Biovac, das nun in Kapstadt dessen Impfstoff abfüllen soll. Der Technologietransfer beschränkt sich dabei auf die Endfertigung, die Johnson & Johnson in einer ähnlichen Partnerschaft bereits zum Zeitpunkt von Spahns Besuch mit einer südafrikanischen Firma betrieb. Die Lizenzproduktion des Pfizer/Biontech-Impfstoffes in Kapstadt hat bisher nicht begonnen.

In seiner Rede zur Einweihung der neuen Produktions- und Forschungseinrichtung erwähnte Ramaphosa Biovac zwar am Rande, stellte aber heraus, dass es künftig darum gehe, die »gesamte Impfstoffproduktionswertschöpfungskette abzudecken«. Mit dem neuen Komplex im Kapstädter Stadtteil Brackengate soll das Realität werden. Hinter der Anlage steht das neu gegründete Unternehmen Nant South Africa, das zur Unternehmensgruppe Nant Works des US-amerikanisch-südafrikanischen Arztes und Milliardärs Patrick Soon-Shiong gehört.

Der Medizinunternehmer wurde 1952 als Sohn chinesischer Flüchtlinge in Port Elizabeth in der südafrikanischen Provinz Ostkap geboren, verließ den damaligen Apartheid-Staat jedoch gen USA. Den Aufbau der Anlage in Kapstadt bezeichnete er nun als »Heimkehr«. Auch Ramaphosa war sichtlich bemüht, Soon-Shiongs Engagement als patriotischen Akt darzustellen.

Im Rahmen der Impfstoffproduktion soll Nant South Africa eng verzahnt mit der ebenfalls neu gegründeten Initiative Africa’s Access to Advanced Healthcare Coalition arbeiten. Letztere ist ein Partnerschaftsprojekt von Biotechnologie- und Pharmazieunternehmen, Regierungsinstitutionen, wohltätigen Organisationen und Universitäten. Der Fokus der Initiative liegt auf der Produktion von sogenannten Impfstoffen der zweiten Generation, die insbesondere die T-Zellen-Antwort des Körpers aktivieren sollen.

An einem entsprechenden Vakzin gegen das Coronavirus forscht die ebenfalls zu Soon-Shiongs Unternehmensimperium zählende Firma Immunity Bio bereits. Die südafrikanische Arzneimittelzulassungsstelle SAHPRA gab schon im Juli grünes Licht für klinische Studien, die nun bald beginnen sollen. In Zukunft sollen in Kapstadt auf Basis der Technologie aber auch Impfstoffe gegen andere Krankheiten produziert werden. Um das dafür nötige Fachpersonal auszubilden, hat Soon-Shiongs Stiftung 100 Millionen Rand (5,8 Millionen Euro) bereitgestellt.

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