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Lieber helfen als ausruhen

Peter Ritter über seine Kandidatur für den Ko-Vorsitz der Linken in Mecklenburg-Vorpommern

Im vergangenen September haben Sie bei den Landtagswahlen nicht mehr kandidiert und sich in den landespolitischen Ruhestand verabschiedet. Mit Ihrer Kandidatur für den Linke-Ko-Vorsitz im Nordosten verabschieden Sie sich nun von diesem Abschied. Was hat Sie dazu bewogen?
Ein Grund ist das schlechte Abschneiden der Linken bei den Landtags- und Bundestagswahlen, das uns alle beschäftigt und auch beschäftigen muss. Es hat dieser Tage eine Studie gegeben von Rostocker Politwissenschaftlern, in der es heißt, Die Linke habe bei den Landtagswahlen an die SPD und den Friedhof verloren. Das stimmt nicht nur nachdenklich, das rüttelt auch auf – mich in jedem Fall.

Zudem gab es eine Reihe von Anfragen, ob ich nicht bereit wäre, meine Erfahrung noch einmal einzubringen. Letztendlich habe ich mir gesagt, dass ich nicht nur zuschauen und von zu Hause aus nörgeln will, sondern dass ich meiner Partei helfen will, aus diesem Tal wieder herauszukommen und ihr deshalb mit meiner Kandidatur ein Angebot mache. Zeit zum Ausruhen habe ich später noch.

Interview
Peter Ritter (62) wird im März beim Landesparteitag der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern für das Amt des Ko-Vorsitzenden kandidieren. Für Ritter wäre es die Rückkehr in die Landespolitik, aus der er sich im vergangenen Herbst eigentlich schon zurückgezogen hatte. Unter anderem war Ritter von 1994 bis 2021 Landtagsabgeordneter und von 2001 bis 2009 bereits einmal Landesvorsitzender.

Mit der 21-jährigen Studentin Vanessa Müller, die als Ko-Vorsitzende kandidiert, ist das ein sehr breites Angebot an die Partei. Spiegeln die Kandidaturen auch die Aufgaben wider: Erneuerung auf der einen und Profilierung der Partei – auch gegenüber dem Koalitionspartner SPD – auf der anderen Seite?
Das kann man durchaus so sagen, dass wir mit unseren ja nun wirklich sehr unterschiedlichen Lebens- und politischen Erfahrungen der Partei und – worum es hauptsächlich geht – der Gesellschaft ein breites Spektrum anbieten können. Wir müssen junge Menschen für die Partei begeistern und ihnen vor allem ermöglichen, Verantwortung etwa in Gremien zu übernehmen und bei Wahlen aussichtsreich kandidieren zu können. Auch muss es uns gelingen, mehr Frauen für eine Mitarbeit in der Partei zu gewinnen. Aber auch hier müssen wir die entsprechenden Bedingungen schaffen. Auf politischer Ebene reden wir als Partei sehr gerne und vollkommen zu Recht über die Vereinbarkeit von Privat- und Erwerbsleben. Wenn wir nun aber in die Partei hineinschauen, auf die Strukturen, darauf etwa, wann wir wo welche Sitzungen durchführen, haben wir beim Thema Vereinbarkeit selbst großen Nachholbedarf. Wichtige Aufgaben, denen ich mich widmen will, sind zudem, die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags umzusetzen und die Kommunalwahlen vorzubereiten, die in zwei Jahren anstehen und bei denen wir ein wesentlich besseres Ergebnis einfahren wollen.

Welche Gründe sehen Sie für den Stimmenverlust bei der Landtagswahl, der Sie ja mit zu Ihrer Kandidatur bewogen hat? Eher landespolitische – oder hat das Ergebnis der Bundespartei bei der Bundestagswahl am selben Tag durchgeschlagen?
Sowohl als auch. Zum einen hatten wir es mit der nahezu übermächtigen Ministerpräsidentin und SPD-Spitzenkandidatin Manuela Schwesig zu tun, die für ein super Wahlergebnis der Sozialdemokraten im Land gesorgt und auch uns Stimmen gekostet hat. Zum anderen war da das bundespolitische Erscheinungsbild unserer Partei. Für uns als Oppositionspartei, die wir damals ja waren und mit diesen beiden Herausforderungen Wahlkampf führen mussten, war es sehr schwer, Stimmen zu erringen. Meine feste Überzeugung ist es, dass das Abschneiden bei der Landtagswahl weder am Personal noch an den inhaltlichen Angeboten lag, sondern an den Begleitumständen, mit denen wir umgehen mussten.

Nun ist Die Linke Regierungspartei. Die Covid-19-Pandemie ist noch immer nicht vorbei, die Folgen werden immer gravierender, am schwerwiegendsten dabei wahrscheinlich die MV-Werften-Insolvenz. Rot-Rot hat ehrgeizige Pläne, das Land sozialer und gerechter zu machen. Kann der »Aufbruch 2030«, wie das Motto der Regierungszusammenarbeit lautet, unter diesen Umständen gelingen?
Man muss ehrlich sagen, dass die Regierung bisher nicht viel Zeit und Gelegenheit hatte für einen Aufbruch. Es ist in der Tat so, dass derzeit für die Regierung wie auch für die Regierungsfraktionen die Hauptaufgabe der Umgang mit der Corona-Pandemie ist. Hier müssen nahezu täglich Entscheidungen getroffen werden. Für neue Impulse in der Landespolitik ist da bisher kaum Raum geblieben, das muss man ganz nüchtern feststellen. So wäre es auch jeder anderen Regierungskonstellation gegangen.

Es gibt aber keinen Grund, jetzt schon, da die Regierung noch nicht mal 100 Tage im Amt ist, den Kopf in den Sand zu stecken. Es gibt viel zu tun, und wenn sich die Corona-Situation beruhigt hat, wird noch ausreichend Zeit sein, das im Koalitionsvertrag miteinander Vereinbarte umzusetzen.

Und auch genug Geld?
In der Tat wird es eine große Herausforderung für Rot-Rot, den neuen Landeshaushalt vorzulegen, für den es im Frühjahr einen ersten Entwurf geben soll. Dann wird man sehen, welche Möglichkeiten wir haben werden. Auch hier dürfen wir uns nichts vormachen: Durch die Corona-Pandemie werden sich natürlich neue Herausforderungen für die Haushaltslage des Landes ergeben.

Sie waren in der letzten Legislaturperiode Obmann der Linksfraktion im ersten NSU-Ausschuss. Bei der Aufklärung blieben viele Fragen offen. Wie schätzen Sie die Aussichten ein, dass der kürzlich konstituierte zweite Untersuchungsausschuss mehr Licht ins Dunkel bringen kann?
Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zur Neuauflage des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und zur Ausweitung des Untersuchungsauftrages auf das rechtsextreme Nordkreuz-Netzwerk haben wir gemeinsam unter anderem mit dem heutigen SPD-Innenminister Christian Pegel auf den Weg gebracht. In der Folge spürt man hier nun auch eine neue Herangehensweise des Innenministeriums mit der klaren Ansage, dass man dem Ausschuss umfassend Hilfe und Unterstützung zukommen lassen will.
Deshalb glaube ich, dass es neue Erkenntnisse geben wird. Und, was ich für besonders wichtig halte: dass man nicht nur Rückschau hält, sondern dass man mit der Ausschussarbeit auch versucht, der Politik Leitlinien an die Hand zu geben, damit solche Netzwerke nicht so einfach entstehen können, wie es in der Vergangenheit der Fall war. In jedem Fall konnte mit der Einsetzung des Ausschusses und der Erweiterung des Untersuchungsauftrags trotz Pandemie ein gesellschaftspolitischer Impuls gesetzt werden.

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