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Junta kann Kontrollverlust nicht aufhalten
Die Putschisten in Myanmar gehen extrem repressiv gegen Widerstandskräfte vor und sehen sich neuen Kämpfen mit Rebellen ausgesetzt
Hatten Armeechef Min Aung Hlaing und seine Mitverschwörer*innen geglaubt, das südostasiatische Land spätestens binnen einiger Monate voll unter ihre Kontrolle zu bringen und eine neue »Friedhofsruhe« wie unter früheren Diktaturzeiten einkehren zu lassen, so hat sich zumindest diese Erwartung nicht erfüllt. Denn die vor allem von der jungen Generation getragene Widerstandsbewegung hat sich nicht einschüchtern lassen.
Zwar weist die Schreckensstatistik der Assistance Association for Political Prisoners (AAPP) seit dem Putsch am 1. Februar 2021 wenigstens 1498 nachweislich durch das Regime getötete Menschen und 8792 Inhaftierte aus, von denen inzwischen 650 zu teils langen Haftstrafen verurteilt wurden. Weitere knapp 2000 entzogen sich laufenden Anklagen durch Untertauchen. Doch haben Verhaftungen und Folter sowie der Einsatz scharfer Munition gegen friedlich Demonstrierende die »Bewegung des zivilen Ungehorsams« ebenso wenig in die Knie zwingen können wie die massenhafte Entlassung von Lehrer*innen, die mit den Beschäftigten des Gesundheitswesens sowie Studierenden und Lehrkräften der Universitäten seit Beginn an der Spitze der Proteste standen. Waren diese zunächst auf die Wirtschaftsmetropole Yangon, Mandalay, die Hauptstadt Naypyidaw und andere urbane Zentren konzentriert, griff die Bewegung zügig auf ländliche Gebiete über.
Urteile gegen zivile Regierung
Die Demokratiebewegung braucht einen langen Atem - etwaige Hoffnungen, dem neuen Spuk mit internationaler Hilfe bald ein Ende setzen zu können, haben sich zerschlagen. Eigentlich sollte vor einem Jahr erstmals das im November 2020 neugewählte Parlament zusammentreten. Das Datum des Putsches, bei dem der bisherige Staatspräsident Win Myint, Staatsrätin Aung San Suu Kyi und die Mitglieder ihrer Regierung festgesetzt wurden, war damit keineswegs ein Zufall. Die 76-jährige Suu Kyi ist seit dem Putsch am 1. Februar 2021 in Hausarrest. Sie wurde nun offiziell der angeblichen Wahlmanipulation beschuldigt. Suu Kyi werde wegen der Beeinflussung von Mitgliedern der Wahlkommission nach der Parlamentswahl 2020 vor Gericht gestellt, hieß es am Montag aus mit dem Fall vertrauten Kreisen. Derselbe Vorwurf wird den Angaben zufolge gegen den früheren Präsidenten und engen Suu-Kyi-Verbündeten Win Myint erhoben.
Suu Kyi, die 1991 den Friedensnobelpreis verliehen bekam, hat schon erste Prozesse hinter sich: Einem Urteil im Dezember zu vier Jahren wegen angeblicher Anstiftung zum Aufruhr und Verstoß gegen Corona-Regeln, vom Regime scheinbar großzügig halbiert, folgte Mitte Januar ein zweiter Schuldspruch zu vier Jahren Haft.
Einige andere Spitzenpolitiker ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) müssen sogar für bis zu 20 Jahre ins Gefängnis. Die angeblichen Manipulationen bei der Wahl 2020, von denen die Putschisten bis heute sprechen, haben unabhängige Beobachter jedoch nicht bestätigen können.
Die Brutalität der Junta im Umgang mit ihren Gegnern kennt keine Grenzen. Im Township Hpruso (Kayah State) sollen Soldaten am 24. Dezember 35 Menschen, darunter Frauen und Kinder, in sieben Fahrzeugen lebendig verbrannt haben. Ganze Ortschaften gelten inzwischen als Geisterstädte.
Auch Loikaw, 50 000 Einwohner zählendes Verwaltungszentrum des Kayah State, ist laut Berichten nach Luftangriffen in der ersten Januarwoche fast menschenleer - in der Gegend liefern sich die Karenni Army, bewaffneter Arm der Karenni National Progressive Party, und das Militär Kämpfe. Weiter südlich mehren sich Zusammenstöße mit der Karen National Union, seit 1949 aktive älteste Rebellengruppe des Landes. Fast überall an den Rändern des Vielvölkerstaats ist der frühere Bürgerkrieg wieder aufgeflammt. Viele der Rebellenarmeen haben sich offiziell an die Seite der Demokratiebewegung gestellt.
Schattenregierung und Bürgermilizen
Die Regierung der Nationalen Einheit, Mitte April von untergetauchten Parlamentsabgeordneten gebildet, hat überdies mit den People Defence Forces, einer Art Bürgermilizen, eigene Streitkräfte geschaffen. Sie haben schon in einigen Ortschaften, zum Beispiel in sechs von 25 Townships der Region Sagaing, Richter*innen, Polizist*innen und andere Beamt*innen des Regimes zum Abtreten gezwungen. Gerade aus den Rebellengebieten, wo es Zehntausende neue Binnenflüchtlinge gibt, sind verlässliche Berichte aber Mangelware. Die Online-Nachrichtenkanäle »The Irrawaddy« und »Myanmar Now« gehören zu den wenigen unabhängigen Quellen, die belastbare Informationen liefern.
EU und USA haben Sanktionen gegen die Junta verhängt, eher abwartend agieren Russland und China - der große Nachbar ist Myanmars Schutzmacht. Der südostasiatische Staatenbund Asean, der beim ersten Krisengipfel in Jakarta im April 2021 noch Min Aung Hlaing persönlich in der Runde hatte, ließ im November bei einem virtuellen Treffen den Platz eines Mitglieds Myanmars demonstrativ frei: Die Junta hatte eine Vermittlungsmission der Allianz sabotiert. Nach dem Wechsel des Asean-Vorsitzes von Brunei zu Kambodscha änderte sich der Ton. Dessen Premier Hun Sen stattete Myanmars neuem Machthaber im Januar sogar einen Staatsbesuch ab - eine höchst umstrittene diplomatische Aufwertung des Putschführers.
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