Dampfend in die Zukunft

Forschungsvertrag für Wasserstoffzüge auf der Heidekrautbahn abgeschlossen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Zum Fahrplanwechsel Ende 2024 soll es so weit sein. Dann soll aus den Auspüffen der Züge der Heidekrautbahn nur noch weißer Wasserdampf quellen. Auf der Strecke, die am Nordrand Berlins ihren Ausgang nimmt, sollen sieben mit Wasserstoff angetriebene Züge in Dienst gestellt werden. Gleichzeitig soll auch die sogenannte Stammstrecke der Bahnlinie von Basdorf nach Berlin-Wilhelmsruh wieder den Fahrgastbetrieb aufnehmen. Bisher fahren die Züge von Berlin-Karow über Basdorf, wo sich die Strecke verzweigt, zu den Endbahnhöfen Wensickendorf und Groß Schönebeck in Brandenburg.

Nun haben die Länder Berlin und Brandenburg sowie die Betreibergesellschaft Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) die Verhandlungen über den Forschungsvertrag für den Einsatz von Wasserstoffzügen auf der Heidekrautbahn abgeschlossen, wie der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) am Dienstagnachmittag mitteilte. Damit können die Betriebsvorbereitungen, insbesondere zum Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur, sowie die Fahrzeugbeschaffung starten. Der Fördermittelbescheid über 25 Millionen Euro ist bereits im Mai 2021 vom damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Basdorf persönlich übergeben worden.

»Mit dem Wasserstoff-Forschungsprojekt auf der Heidekrautbahn gehen klimafreundliche Antriebe in den Praxistest. Ich bin gespannt auf die Erfahrungen und den Vergleich mit anderen Optionen wie einer Elektrifizierung der Strecke oder batteriebetriebenen Zügen, die auch bald in der Metropolregion fahren«, erklärt die Berliner Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne).

»Mit den neuen Wasserstoffzügen auf der Heidekrautbahn starten wir ein Leuchtturmprojekt für Brandenburg, aber auch deutschlandweit«, erklärt zudem Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU). Tatsächlich ist es die erste Anwendung dieser Antriebsart in der Region. In Hessen sollen 27 Züge zum Jahresende den Betrieb auf vier Regionalbahnlinien übernehmen. In Niedersachsen sind bereits seit 2018 Wasserstoffzüge des Typs iLint des französischen Herstellers Alstom im Einsatz.

Eines dieser Fahrzeuge war vor drei Jahren auf Probefahrt auf der Heidekrautbahn. Damals glaubte man noch, dass die Antriebsumstellung bereits Ende 2023 vollzogen werden könnte. Selbst mit der Verschiebung um ein Jahr bleibt der Zeitplan ambitioniert, unter anderem, weil auch noch der Lieferant der sieben neuen Züge per europaweiter Ausschreibung gefunden werden muss.

Das Besondere bei dem Berlin-Brandenburger Projekt ist, dass grüner Wasserstoff genutzt werden soll, der vor Ort per Elektrolyse aus Windstrom erzeugt wird. In Hessen wird das Gas genutzt, das als Beiprodukt der Prozesse in einem riesigen Chemiepark im Frankfurter Stadtteil Höchst anfällt - sogenannter grauer Wasserstoff, der einen CO2-Fußabdruck hat. Die Umstellung von Diesel auf Wasserstoff führt bei der Heidekrautbahn tatsächlich zu einer CO2-Reduzierung um jährlich 3000 Tonnen und einer Einsparung von 1,1 Millionen Litern Diesel. Anwohner der Strecke dürfen sich über deutliche leisere Triebwagen ohne röhrende Motoren freuen.

»Mit einer auf diese Weise neu gedachten Eisenbahn im Barnim können wir die Energiewende und auch die Verkehrswende in Brandenburg aktiv fördern«, sagt NEB-Geschäftsführer Detlef Bröcker.

Doch das Vorhaben weist weit über die Bahn hinaus. Weitere Partner sind der Stromproduzent Enertrag sowie die Kreiswerke Barnim. Durch sogenannte Sektorkopplung wird die Effizienz grüner Energien deutlich gesteigert. Für die Wasserstoffherstellung wird vor allem überschüssiger Strom eingesetzt. Wenn es stürmisch ist, müssen Windräder oft abgeschaltet werden, weil der Ertrag den Verbrauch dann übersteigt. Im Landkreis Barnim sollen auch Müllfahrzeuge und Busse mit dem gewonnenen Wasserstoff betankt werden. Denn für hohe Motorleistungen und Überlandverkehre sind batteriebetriebene Fahrzeuge derzeit keine Option - die gespeicherte Energie reicht nicht aus.

Bei der Bahn sind oft Batteriezüge die bessere Wahl. Denn die Energieeffizienz bei der Speicherung von Strom in Akkus ist deutlich höher als bei der Umwandlung in Wasserstoff. Wenn Teile der Strecke, auf denen die Züge fahren, bereits elektrifiziert sind oder sich fahrplanbedingt lange Standzeiten an Endbahnhöfen nicht vermeiden lassen, können die Fahrzeuge während der Fahrt oder am Bahnhof aufgeladen werden.

Ab Ende 2024 wird die Niederbarnimer Eisenbahn auch diese Technologie im Osten Brandenburgs nutzen. 31 batterieelektrische, von Siemens hergestellte Züge sollen dann den Betrieb auf neun Regionalbahnlinien im Gebiet zwischen Berlin, Templin, Prenzlau, Frankfurt (Oder) und Königs Wusterhausen ganz und einer teilweise übernehmen, wie im November 2021 bekanntgegeben wurde. 4,4 Millionen Liter Diesel sollen pro Jahr eingespart werden, das entspricht rund 11 500 Tonnen CO2. Und weil Elektrozüge schneller beschleunigen, könnte auch so manche Verbindung schneller werden als bisher.

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