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Doping: Der Glaube an saubere Spiele
Was die Nada und die internationalen Dopingjäger aus dem Manipulationsskandal in Sotschi gelernt haben
Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der Nationalen Antidopingagentur Deutschlands, hat tief in die Glaskugel geschaut. Auf der vorolympischen Pressekonferenz der Nada prognostizierte sie »relativ saubere Spiele« in China. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, dass sie am Donnerstag von Journalistenkollegen zu einer deutlichen Aussage gedrängt wurde.
Wie sauber die Spiele tatsächlich werden, hängt neben den moralischen Standards der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch deutlich von der Qualität des Testprogramms ab. Werden Sünderinnen und Sünder noch während der Spiele überführt? Wie viele Doper fallen bei den Nachtests auf? Erst dann lässt sich schließlich ein Fazit ziehen.
Bei den Nachtests der Sommerspiele von Peking 2008 und London 2012 fand die Internationale Testagentur Ita noch mehr als 130 Regelverstöße, die während des Testprogramms der Spiele selbst unentdeckt geblieben waren. Das Nachtestprogramm von Sotschi 2014 hat 2020 begonnen und ist immer noch in vollem Gange. Bei den Winterspielen von Pyeongchang 2018 will die Ita noch warten, bis sich die Analysemethoden verfeinern. Eine Bilanz über die Sauberkeit der Spiele 2022 lässt sich erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist für die Lagerung der Proben ziehen. Das Nachtestprogramm könnte aber, so argumentierte Gotzmann im Verlaufe der Pressekonferenz, abschreckende Wirkung entfalten.
Über die Dichte des aktuellen Kontrollnetzes zeigte sie sich erfreut. Die pandemiebedingten Lücken in den Kontrollen konnten im Vorfeld der Spiele geschlossen werden, bilanzierte sie. Die deutschen Olympiateilnehmer, für deren Sauberkeit die Nada der Garant ist, wurden regelmäßig getestet. Von den ursprünglich 572 als Olympiakandidaten benannten Athletinnen und Athleten wurden seit Juli 1146 Urinproben und 290 Blutproben genommen, berichtete Gotzmann.
Statistisch ist das allerdings wenig beeindruckend. Im Schnitt kommen nicht einmal zwei Urinproben auf jedes Testpool-Mitglied - und nur für jeden zweiten eine Blutprobe. Im Kreis der Nominierten kam dann schon mehr zustande. Auf 150 Peking-Fahrer kommen 484 Urinproben und 180 Blutproben. Wenigstens eine Blut- und drei Urinproben pro Person wurden statistisch genommen. Im Einzelfalle sind es sicher noch mehr.
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Das Antidoping-Zentrum der Ukraine warnte Athleten
jahrelang vor Kontrollen
Die internationalen Verbände testen im Wettkampf, die Ita führt Trainingskontrollen in Eigenregie durch. Bei den Kontrollen der Nada gab es bislang keinen positiven Fall. Allerdings seien noch nicht alle Proben ausgewertet, so Gotzmann. Sie konnte auch keine Angaben machen, wie viele der Proben auf die Dopingklassiker Epo und Wachstumshormon analysiert wurden.
Heftige Kritik wehte der Nada zuletzt ins Gesicht, weil einige ihrer Kontrolleure ohne frischen Coronatest zur Blut- und Urinabnahme bei Sportlern vor der Abreise nach China erschienen waren. »Die Tester waren nicht getestet. Das ist bei all dem Aufwand, den wir betreiben, nicht zu verstehen«, empörte sich René Spies, Bundestrainer der Bobfahrer. »Wir essen, leben und trainieren in drei Gruppen, verzichten auf soziale Kontakte und unsere Familien, und dann sind die, die uns eigentlich schützen sollen, nicht getestet. Da fühlen wir uns total im Stich gelassen«, meinte er. Die Tester säßen manchmal 15 oder 20 Minuten im Hotelzimmer und bereiteten den Test vor, erklärte Spies. »Und wir wissen nicht, ob die sicher sind«, ärgerte er sich.
Laut Gotzmann steuerte die Nada nach und testet auch die Tester wieder. Ohnehin hat sich die Sorge der Athleten, von einem positiven Dopingtest aus dem Verkehr gezogen zu werden, angesichts des Risikos, wegen eines positiven Covid-Tests ein Startverbot zu erhalten, gewaltig relativiert. Groß ist vor allem die Befürchtung, durch falsch positive oder auch manipulierte Tests, die den Konkurrenten helfen könnten, aus dem Verkehr gezogen zu werden.
Gotzmann warnte die Sportler noch einmal eindringlich davor, Fleisch außerhalb der olympischen Hygiene- und Versorgungsblasen zu sich zu nehmen. »China gehört neben Mexiko und Guatemala zu den Ländern, bei denen ein erhöhtes Risiko auf eine Kontaminierung mit Clenbuterol vorliegt«, sagte sie. Das Mastmittel ist auch ein Dopingmittel.
In das chinesische Kontrollprogramm hat sie Vertrauen. »Wir haben aus Sotschi 2014 gelernt«, spielte sie auf den Manipulationsskandal bei den Winterspielen in Russland an. »Das Labor in China wurde überprüft. Es erfüllt hohe Standards. Internationale Experten, darunter auch Mario Thevis vom Kölner Kontrolllabor, überwachen die Arbeit«, sagte sie. Dennoch: Wie sauber oder verseucht die Spiele sind, wird man erst im Jahr 2032 wissen. Dann wirken aber hoffentlich Erzählungen von Quarantäne-Hotels und Testern, die sich testen lassen müssen, wie Geschichten von einem anderen Stern. Doping wird es dann wahrscheinlich immer noch geben. Der Drang des Menschen wie des Sportlers zum abgekürzten Weg zum Ziel ist wohl unausrottbar.
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