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Akzeptanz ist kein Kriterium mehr

Die Autobahnblockaden von Klimaaktivist*innen stoßen auf wenig Gegenliebe. Die Kritik ist zum Teil berechtigt.

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf Deutschlands Schnellstraßen prallen zurzeit Welten aufeinander. Die von Autofahrer*innen auf dem Weg zur Arbeit oder zu Terminen. Und die von Klimaaktivist*innen, die von der Politik ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung fordern. Seit zwei Wochen blockiert die Gruppe »Aufstand der letzten Generation« Autobahnen und Bundesstraßen. Am Wochenende erklärten die Aktivist*innen den Berliner Stadtring A100 zum »Ort des gewaltfreien zivilen Widerstands«. Immer wieder setzen sie sich auf die Straßen und kleben sich am Asphalt fest.

Die Aktionen polarisieren, verbal werden große Geschütze aufgefahren. »Wenn wir diesen todbringenden Kurs weiterverfolgen, werden die Folgen jeden von uns auf schreckliche Art und Weise treffen«, erklärt die Aktivistin Carla Rochel. Mit »todbringendem Kurs« ist die aktuelle Politik der Bundesregierung gemeint, die ihrer Verantwortung im Kampf gegen die Klimakrise nicht gerecht werde. Von einem »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« ist die Rede und von einer Pflicht der Bürger*innen, sich dagegen mit allen Mitteln aufzulehnen.

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Die Reaktionen reichen von Solidarität über Unverständnis bis hin zu Verachtung und Hass. So schlug ein Autofahrer, der im Stau stehen musste, einer Aktionsteilnehmerin ins Gesicht. In den sozialen Medien werden die Aktivist*innen wahlweise als kriminelle Extremist*innen beschimpft, als »Dreckspack« oder auch »wohlstandsverwahrloste« Kinder, die erst mal arbeiten gehen sollten. So unsachlich diese Herabwürdigungen sind, so gibt es doch auch berechtigte Kritik an der Aktionsform. Die Leidtragenden der Autobahnblockaden sind schließlich nicht die Regierenden, sondern vor allem Pendler*innen. Auch ein Rettungswagen soll schon im Stau festgesteckt haben.

Das lässt Zweifel an der von den Aktivist*innen suggerierten Notwendigkeit aufkommen, dass Straßen blockiert werden müssen, um Leben zu retten. »Essen retten – Leben retten«, so nennt sich die Kampagne des »Aufstands der letzten Generation«, mit der die Forderungen nach einem Wegwerfverbot für Lebensmittel und nach einer Agrarwende verbunden sind, um unnötige Emissionen zu reduzieren und langfristig die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern. Dabei ist den Aktivist*innen wichtig zu betonen, wie leicht umsetzbar und wenig radikal beide Maßnahmen sind. Ein Wegwerfverbot für Lebensmittel gibt es bereits in Frankreich, die Agrarwende gehört zu den Empfehlungen des Klimabürger*innenrats, beide Maßnahmen würden von einem Großteil der Bevölkerung akzeptiert.

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Der Verweis auf die Bürgerlichkeit der Forderungen scheint in einem massiven Widerspruch zu dem radikalen Mittel der Straßenblockade zu stehen, dem genau diese Akzeptanz fehlt und das die Sympathie vieler Menschen für die berechtigten Anliegen der Klimabewegung verspielen könnte. So stellt Aktivistin Carla Rochel selbst fest, dass »vor allem über Sympathie oder Antipathie der direkt betroffenen Autofahrer*innen diskutiert wird«, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Forderungen aber ausbleibe. Ganz zu schweigen davon, dass fraglich ist, inwiefern die Adressatin der Aktionen, die Bundesregierung, daraus eine unmittelbare Handlungsnotwendigkeit ableitet.

Genauso fraglich ist aber, ob das der Fall wäre, wenn die Aktivist*innen zu anderen Mitteln greifen – was sie auch tun. Neben den Autobahnblockaden organisieren die »Aufständigen« seit Jahresbeginn Container-Aktionen, bei denen sie von Supermärkten entsorgte Lebensmittel öffentlich aus Mülltonnen holen und verteilen. Die Reaktionen darauf waren durchweg positiv, der Druck auf die Regierung aber ebenfalls gering.

So hat die oft pathetisch ausgedrückte Verzweiflung der Aktivist*innen, die Angst vor der Zukunft, das Gefühl der Machtlosigkeit doch einen wahren Kern: Egal auf welche Weise bislang für Klimagerechtigkeit gekämpft wurde, es schien nie zu reichen. Ein Beispiel ist der Dannenröder Forst, der trotz Baumbesetzungen und großer Solidarität der Bevölkerung einer Autobahn weicht. Akzeptanz ist daher für viele kein Kriterium mehr für die Wahl der Protestform. Die Frage lautet längst nicht mehr: Wie gewinnen wir Sympathie? Sondern eher: Was können wir überhaupt noch tun, um auf Missstände aufmerksam zu machen? Es muss nicht allen gefallen, dass die Antwort »Aufstand« lautet – und Rettungsgassen sollten in den Blockaden definitiv Platz haben. Es geht darum, die größtmögliche Störung zu verursachen.

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