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Folter mit glühenden Bügeleisen
Menschenrechtler fordern eine unabhängige Untersuchung der blutigen Unruhen in Kasachstan
Eigentlich dürfte es die Geschichte von Darchan Ualijew gar nicht geben: Anfang Januar wollte der demokratische Aktivist den Leichnam seines bei den Unruhen in Kasachstan getöteten Bruders aus einer Leichenhalle in der Wirtschaftsmetropole Almaty abholen. Stattdessen wurde Ualijew verhaftet, ins Gefängnis geworfen und grausam gefoltert. Bis zu zehn Stunden hätten die Beamten mit Schlagstöcken ununterbrochen auf ihn eingeprügelt, dabei gezielt auf Hände, Rippen und Nieren gedroschen, erzählt seine Frau dem Radiosender Azattyq, dem kasachischen Ableger des US-finanzierten Senders Radio Swoboda. Nach zehn Tagen habe Ualijew kaum noch gehen können, sein Körper sei mit Blutergüssen und blauen Flecken übersät gewesen. Auch Elektroschocker hätten die Sicherheitskräfte verwendet, um ein Geständnis zu erpressen.
In der offiziellen Version der Unruhen kommen Folterfälle wie die von Darchan Ualijew allerdings nicht vor. Bei den Unruhen seien 227 Menschen ums Leben gekommen - die meisten davon in Almaty - darunter 19 Sicherheitskräfte. Fast 10 000 Bürger seien festgenommen worden, so die Behörden. Meldungen über willkürliche Festnahmen, exzessive Gewalt und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte sucht man in den Berichten vergeblich. Auch die Namen der Verletzten und Toten hält die Regierung zurück.
Dabei gibt es viele Berichte über oft tödliche Übergriffe der Beamten. Unabhängige Medien wie das Onlinemedium Vlast.kz schreiben von Demonstranten, die von Polizisten durch gezielte Schüsse in Kopf, Herz und Brust getötet wurden. Mitglieder der verbotenen Demokratischen Partei Kasachstans (DKP) wie der Aktivist Dauren Dostijarow wurden nach eigener Aussage in der Haft mit Tritten in die Leistengegend gefoltert. Kasachische Menschenrechtler zeichnen Aussagen von Festgenommenen auf, die mit kochendem Wasser übergossen und mit glühenden Bügeleisen misshandelt wurden. Anderen hätte man im Gefängnis Plastiktüten über den Kopf gezogen. Darüber hinaus kursieren in sozialen Medien Berichte über angeschossene Häftlinge, die aus dem Krankernhaus ins Gefängnis verschleppt wurden. Sie könnten nachträglich als Terroristen eingestuft werden, befürchten Angehörige. In der vergangenen Woche protestierten betroffene Familien vor den Büros der Staatsanwaltschaft in Almaty und Shymkent.
Angesichts der zahlreichen Berichte rief der kasachische Menschenrechtler Jewgeni Schowtis Mitte Januar zur Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission auf, der die Bürger vertrauen könnten. Die Aufklärung der Gewalt dürfe nicht allein den Behörden überlassen werden.
Schowtis’ Forderung fand international ein Echo: Michelle Bachelet, Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, die USA und die Europäische Union unterstützten die Initiative. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte am 1. Februar in einem Bericht über die Gewalt eine unabhängige Untersuchung.
In dem zentralasiatischen Land traf der Aufruf der Organisation offenbar einen wunden Punkt. «Kasachstan verurteilt jeden möglichen Fall exzessiver Gewalt, willkürlicher Inhaftierung, Folter oder Misshandlung von Gefangenen», antwortete das kasachische Außenministerium nur zwei Tage später in einer Stellungnahme. Die Behörden seien «bereit und willens, jeden einzelnen Fall gründlich zu prüfen». Es sei eigens eine telefonische Hotline für Beschwerden eingerichtet worden. Die Behörden überprüften derzeit 98 Anzeigen über illegale Ermittlungsmethoden und Verstöße gegen die Rechte der Bürger. Die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung Elwira Asimowa habe 97 Haftanstalten besucht. Kasachstan fühle sich an die Menschenrechte gebunden und sei «offen für einen Dialog mit internationalen Nichtregierungsorganisationen. Außenminister Muchtar Tileuberdi sei zu einem Treffen mit HRW-Direktor Kenneth Roth bereit.
Dieser hegt am Aufklärungswillen der kasachischen Behörden jedoch erhebliche Zweifel. In der Vergangenheit seien Ermittlungen zu Folter und Gewalt gegen Demonstranten bereits mehrfach versandet, erklärt er in einer Pressemeldung. Roth spielt damit unter anderem auf die bis heute unbekannte Zahl der Toten der sogenannten Scheltoksan-Unruhen von 1986 an. Damals sollte der kasachische Republikchef Dinmuchamed Kunajew durch den Russen Gennadi Kolbin ersetzt werden. Studenten gingen auf die Straße, bis zu 200 wurden nach Schätzungen erschossen. Auch das Vorgehen gegen streikende Erdölarbeiter im westkasachischen Schanaösen 2011 forderte vermutlich mehr Opfer als die offiziell 16 Toten.
Darüber hinaus üben die Behörden massiven Druck auf Zeugen aus, die mit Folterfällen an die Öffentlichkeit gehen. Polizisten drohten den Opfern mit Vergeltung, berichtet die kasachische Menschenrechtlerin Rosa Akylbekowa im Gespräch mit Radio Azattyq. Einigen Folteropfern seien bei neuen Verhören die Rippen gebrochen worden.
Sechs Tage nach der Antwort aus Kasachstan erneuerte Kenneth Roth die Initiative von Human Rights Watch und schlug ein hybrides Ermittlungsformat vor. In diesem sollen internationale Experten die kasachischen Ermittler unterstützen. Doch diesmal schwieg das kasachische Außenministerium. »Wir bekommen das selbst hin«, hatte Präsident Kassym Schomart-Tokajew Forderungen nach einer internationalen Untersuchung der Unruhen bereits Ende Januar zurückgewiesen.
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