• Berlin
  • Umgang mit Investoren

Bauen ohne abzureißen

Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt hält die Signa-Baupläne für Karstadt am Hermannplatz für vorbildlich

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin sei nicht ihr »Wunschort« gewesen, aber »eines der besten Schicksalsereignisse ihres Lebens«, sagt die 1960 in Kaiserslautern geboren neue Berliner Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) in einem Interview im Rahmen der Berliner Städtebaugespräche. Allzu kritisch wird nicht gefragt, denn man ist unter sich in dem Format, das zum Programm der noch bis April laufenden Ausstellung Unvollendete Metropole im Behrens-Bau in Oberschöneweide gehört. Ausrichter ist der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg, dessen Kuratorium Kahlfeldt angehört. 1979 kam sie für ihr Architekturstudium in die Stadt.

»Die Stofflichkeit Berlins erlebt man in seinen Ortszentren«, sagt die Architektin und nennt nur Beispiele, die mindestens 100 Jahre alt sind. Die Gartenstadt Frohnau mit ihren beiden Schmuckplätzen als Zentrum, die Lichtenberger Victoriastadt, die Altstädte von Köpenick und Spandau. Auf Nachkriegsentwicklungen geht sie nicht ein. Dabei kann man über das Kottbusser Tor in Kreuzberg denken, was man will. Aber auch in Anerkennung der zahlreichen Probleme kann man nicht behaupten, dass dort kein pulsierendes, grundsätzlich funktionierendes Zentrum da wäre. Ein weniger quirliges Beispiel ist der Anton-Saefkow-Platz in Fennpfuhl.

»Ich werde mit den Bezirksstadträten, mit den Bezirken gerne darüber sprechen, wie dieses Pfund, was Berlin in seinem Körper hat, wie wir das vielleicht an der einen oder anderen Stelle aufwerten können«, kündigt Kahlfeldt an. Mit »Aufwertung« nimmt sie das Wort in den Mund, das sich in den letzten 15 Jahren zu einem wahren Schrecken der Wohnungs- und Gewerbemieter der Stadt entwickelt hat. Welchen genauen Sinn sie in das Wort legt, bleibt noch ihr Geheimnis.

Allerdings ist die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nach nd-Informationen bereits fleißig dabei, bei Abendessen mit Immobilieninvestoren die gemeinsamen Interessen zu besprechen.

Kahlfeldts Lob für die umstrittenen Pläne der vom österreichischen Milliardär René Benko gegründeten Signa Group für die Umgestaltung und teilweise Umnutzung des Karstadt-Areals am Hermannplatz lässt eine Investorennähe ahnen. »In vorbildlicher Weise hat der Bauherr entschieden, dass der Rohbau aus den 70er Jahren erhalten bleibt«, sagt Kahlfeldt. Das seien »wirklich zukunftsweisende, integrierte Planungen im zukunftsfähig Machen und sich tatsächlich ökologisch und nachhaltig zu verhalten«.

In einem Punkt dürfte Petra Kahlfeldt zumindest in der Grundaussage auch mit den progressiven Kräften in der Stadt Einigkeit erzielen. »Wenn es ein wichtiges Thema für Berlin gibt, dann ist das die Frage der Klimaneutralität, und das Bauen hat einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten.« Die Frage nach einem Abriss von Bestandsbauten stelle sich da »fast gar nicht mehr«.

Ihre Amtsvorgängerin Regula Lüscher, die über 14 Jahre bis Ende Juli 2021 unter Senatorinnen und Senatoren von SPD und Linke Senatsbaudirektorin war, zeigte sich kürzlich im Interview mit swiss-architects.com überrascht, dass die Wahl auf Kahlfeldt fiel. »Jemand Jüngeres hätte neue Verbindungen mitgebracht. Das wäre eine große Chance gewesen«, sagte sie. Kahlfeldt sei »ein feiner Mensch«, erklärt sie. Sie habe aber bei der Besetzung des Postens mit einer verwaltungserfahrenen Persönlichkeit gerechnet. Lüscher sagt, sie sei sich »unsicher«, ob ihre Nachfolgerin ausreichend »Erfahrung mit Beteiligungsverfahren« habe. »Was die Politik angeht, glaube ich, dass die SPD die Erwartungen der Bevölkerung ziemlich unterschätzt«, so Lüscher.

Scharfe Kritik an der Ernennung Kahlfeldts wurde in einem auf der Internetseite der Architektur- und Urbanismuszeitschrift »Arch+« veröffentlichten Offenen Brief geübt. Die Architektin stehe nicht für »partizipative Planungsprozesse« und sei Mitverfasserin einer »Charta für die Berliner Mitte« von 2014, in der »eine weitreichende Privatisierung öffentlicher Grundstücke« im Zentrum der Hauptstadt gefordert wurde. Diese Position habe sie auch in späteren Wortmeldungen immer wieder bekräftigt, heißt es in dem unter anderem von »Arch+«-Chefredakteur Anh-Linh Ngo und dem bekannten Architekten Matthias Sauerbruch unterzeichneten Schreiben.

»Mich verwundert, dass sich die Kritik so sehr gegen Petra Kahlfeldt richtet, aber kaum gegen Giffey und die SPD«, sagte Regula Lüscher im Interview. Sie vermutet, dass nicht Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), sondern die Regierende Bürgermeisterin und ihre Fraktion die Auswahl trafen.

Ob sich Kahlfeldt mit ihren Überzeugungen durchsetzen kann, muss sich zeigen. So sehr ihrem Büro die Umnutzungen historischer Gebäude architektonisch gelungen sind, so wenig ist das über die von ihr entworfenen Neubauten protzig-historisierender Villen zu sagen. Sie erinnern an die Bauten aus der Städtebausimulation Sim City: unförmige Karikaturen mit Versatzstücken der Baugeschichte wie dem stets beliebten Portikus. Franziska Giffey könnte das durchaus gefallen, es passt zu ihren überkommenen gesellschaftlichen Vorstellungen.

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