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Post aus Peking
Auf Pandajagd
Es nimmt bisweilen unfreiwillig komische Züge an, wie verzweifelt Korrespondenten derzeit versuchen, die offensichtlich nicht vorhandene Olympia-Euphorie in Peking einzufangen. Als am Donnerstagabend zur besten Sendezeit Chinas Eishockeyteam gegen die USA antrat, witterten viele eine knackige Story über Public Viewing in der Gastgeberstadt. Doch die Pekinger spielten nicht mit: Das Spiel zwischen den zwei Weltmächten lockte kaum jemanden hinter dem sprichwörtlichen Ofen hervor. Nichts ahnend klapperten Dutzende Fernsehteams die wenigen Kneipen der chinesischen Hauptstadt ab, in denen die Partie übertragen wurde. In allen waren am Ende mehr ausländische Journalisten anwesend als chinesische Zuschauer.
Ganz anders sieht es dieser Tage vor den Olympischen Souvenirshops in Peking aus. Da stehen die Leute jeden Morgen zum Sonnenaufgang bereits zu Hunderten Schlange, manche mit Campingstuhl und Heizdecken ausgerüstet. Der Grund dafür ist nicht ein neues iPhone, sondern ein leicht übergewichtiger Panda mit niedlichen Kulleraugen und Taikonauten-Uniform: »Bing Dwen Dwen« ist das offizielle Maskottchen der Winterspiele und der vielleicht genialste Marketingstreich der Organisatoren. Denn die 20 Zentimeter großen Stofftiere sind derzeit derart nachgefragt, dass die meisten Shops ihre Verkäufe künstlich limitieren mussten: Mehr als 500 Besucher pro Laden werden nicht reingelassen.
Zudem überprüfen Ausweiskontrolleure, dass sich niemand zweimal hineinmogelt. Denn auf dem Schwarzmarkt sind die Preise von »Bing Dwen Dwen« bereits um das Zehnfache gestiegen, wie die Tageszeitung »Beijing News« berichtete. Und die Polizei musste nach eigenen Angaben bereits mehrere Hehler wegen unlauterer Überteuerung festnehmen.
Als eine US-amerikanische Journalistin hinter dem Panda-Hype eine inszenierte Kampagne witterte, um der negativen Publicity der Winterspiele eine positive Story entgegenzusetzen, richtete der wütende Online-Mob in den sozialen Medien über sie. »Bing Dwen Dwen« ist längst zur sensiblen Angelegenheit geworden: ein Maskottchen, das auch den neu gewonnenen Nationalstolz der chinesischen Millennials symbolisiert.
Gerechnet hat wohl dennoch niemand mit diesem überraschenden Erfolg. Ich übrigens am wenigsten: Erst vor wenigen Wochen habe ich regelmäßig für meine Reportagen die Pekinger Souvenirläden aufgesucht – stets auf der Suche nach chinesischen Olympiafans. Doch zwischen den übervollen Regalen herrschte damals noch gähnende Leere, niemals habe ich auch nur einen zahlenden Kunden dort angetroffen. Die gelangweilte Verkäuferin bot mir ein ums andere Mal das Panda-Stofftier an. Ich habe dankend abgelehnt.
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