Dunkelgrün statt EU-Grün

Die Umweltbank in Nürnberg will sich nicht auf die laschen Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie verlassen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Grüne« Investments liegen voll im Trend. Aber was ist wirklich nachhaltig und was trägt nur ein grünes Etikett? Die sogenannte Taxonomie der Europäischen Union war in Fachkreisen ungeduldig erwartet worden. Seit das Label für grüne Finanzprodukte auf dem Markt ist, tobt der Meinungsstreit unter genervten Anlageprofis. Doch die Umweltbank lässt die EU-Kommission einfach hinter sich und setzt auf »dunkelgrüne« Geschäfte, ohne Atomstrom und fossile Brennstoffe, wie sie das EU-Label als Übergangstechnologie erlaubt. Und die Nürnberger Banker gehen diesen Weg erfolgreich.

Auf der Online-Bilanzpressekonferenz am Montag präsentierte Vorstandssprecher Jürgen Koppmann zum Start ins Jubiläumsjahr gute Ergebnisse. Die Umweltbank ist im Geschäftsjahr 2021 erneut stark gewachsen. Auf Basis vorläufiger Zahlen stieg die Bilanzsumme, auch wegen Sonderfaktoren, um rund 20 Prozent von 4,9 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 5,9 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Steuern und Rücklagenbildung betrug 38,1 Millionen Euro vergangenes Jahr und übertraf damit leicht den Vorjahreswert. »Mit dem Fokus auf erneuerbare Energien sowie bezahlbaren und ökologischen Wohnraum adressiert die Umweltbank Kernthemen einer nachhaltigen Gesellschaft«, sagte Koppmann.

Der Vorstandssprecher verzichtet denn auch lieber auf das umstrittene Investement-Siegel der EU. Demnächst werden zwei neue »dunkelgrüne Fonds« aufgelegt. Deren Regelwerk werde deutlich strenger als das der Taxonomie ausfallen. Das werde sich auszahlen. Für dunkelgrüne Fonds sieht Ökobanker Koppmann eine »hohe Nachfrage«.

Die Rahmenbedingungen für sein Geschäft findet der Vorstandschef dank der neuen Bundesregierung »nahezu perfekt«. Von den ehrgeizigen Plänen, mit denen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Photovoltaik, Windkraft und Wohnraum ausbauen will, hofft auch die an der Münchner Börse notierte Aktiengesellschaft zu profitieren. Koppmann findet es dennoch erfreulich, dass Nachhaltigkeit auch bei anderen Banken angekommen sei.

Allerdings müssten Großbanken und Sparkassen viele Branchen abdecken. Da werde es schwierig, wirklich »grün« zu werden. Die meisten Banker meinten es aber persönlich ehrlich, ist Koppmann überzeugt.

Für die Nürnberger Umweltbank markiert das Jahr 2022 einen Meilenstein: Im Januar 1997 hatte sie ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen. Aus den anfangs 30 Beschäftigten sind heute 300 geworden. Insgesamt finanzierte die Bank bisher 25 000 nachhaltige Projekte. »Vor 25 Jahren wurden wir belächelt, heute sind wir eine der profitabelsten Banken«, freut sich Koppmann. In drei Jahren will man die gemieteten Büros verlassen und in das eigene, etwa 100 Millionen Euro teure »Umwelthaus« am Nürnberger Nordwestring umziehen.

Aber ist eine der profitabelsten auch die »grünste Bank in Deutschland«, wie Koppmann meint? Kritiker weisen darauf hin, dass viele Projekte wohl auch von ganz normalen Kreditinstituten finanziert worden wären. Etwa das avantgardistische »soziale Gasthaus«, das die Brunnenbauer von Viva con Agua seit Juli in Hamburgs Premiumlage zwischen Hauptbahnhof und Deichtorhallen errichten lassen.

Koppmanns Umweltbank soll jedenfalls künftig »der Demeter-Laden unter den Bioläden bleiben«. Das werden alternative Konkurrenten wie die niederländische Triodos oder die Ethikbank in Thüringen ungern hören. Und auch die älteste sozial-ökologische Bank Deutschlands steigert ihr Ergebnis 2021 um 15 Prozent. Mit einem Geschäftsvolumen von über 10 Milliarden Euro ist die genossenschaftliche GLS-Bank doppelt so groß wie die Umweltbank, an der sie mit 15 Prozent beteiligt ist. GLS-Vorstandssprecher Thomas Jorberg bedauerte kürzlich auf seiner Bilanzpressekonferenz, dass die EU den Finanzsektor in die falsche Richtung führe: »Die Taxonomie verfehlt ihr Ziel und ist in ihrer aktuellen Form Greenwashing, unwirksam und wettbewerbsverzerrend.«

Zudem spielt Soziales keine Rolle. Um die EU-Kommission zu stoppen, müssten allerdings mindestens 20 Mitgliedstaaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung dagegenstimmen oder eine absolute Mehrheit des Europaparlaments. Beides erwarten Beobachter nicht. Daher überlegt man bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin, »Nachhaltigkeit messbar zu machen«. Dies könnte zu einem dunkelgrünen Bafin-Label führen. Investitionen, die nicht wirklich nachhaltig sind, gelten der Aufsicht zunehmend als riskant. Auch in der Grün-Geld-Szene gibt es Überlegungen, ein eigenes Siegel zu schaffen. Traditionell ist die Szene aber zerstritten über Positiv- und Negativkriterien, die Bedeutung des Sozialen oder die Rolle des Gewinns.

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