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Wahlkampf ohne Lafontaine
Fraktionschef will die Saar-Linke in den nächsten Wochen nicht unterstützen
Die Gräben zwischen Oskar Lafontaine und der Linkspartei werden tiefer. Wenige Wochen vor der Landtagswahl im Saarland hat der frühere Parteivorsitzende erklärt, er unterstütze die Linke nicht im Wahlkampf. Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte Lafontaine verkündet, dass jeder, der bei der kommenden Bundestagswahl im Saarland die Zweitstimme der Linkspartei gebe, für ein Verfahren innerparteilicher Willensbildung stimme, das er grundsätzlich ablehne. Lafontaine wirft der saarländischen Parteiführung um den Landesvorsitzenden Thomas Lutze seit langem betrügerische Machenschaften bei der Akquise von Mitgliedern vor. Die Kandidatenliste seiner Partei ist nach Aussage von Lafontaine nicht regulär zustande gekommen.
Lutze hatte die Vorwürfe immer wieder zurückgewiesen. Er forderte in Regionalmedien, dass Beweise auf den Tisch gelegt werden müssten. Doch die gebe es nicht. Lutze sprach von einer Kampagne gegen sich. Im Januar war ein Verfahren gegen den Linke-Politiker eingestellt worden. Gegen ihn war der Vorwurf erhoben worden, er habe Urkunden gefälscht. Mit »sehr hoher Wahrscheinlichkeit« habe demnach nicht Lutze die Unterschriften auf Quittungen über Beitragszahlungen von Mitgliedern gefälscht, sondern der frühere Vorsitzende des Linke-Stadtverbandes Saarlouis, Mekan Kolasinac.
Lafontaine machte auch die Bundes-Linke für die Situation im Saarland verantwortlich. Alle Appelle, »das Betrugssystem hier abzustellen, das darin besteht, dass auf der Grundlage fingierter und manipulierter Listen bei Landtagswahlen und Bundestagswahlen die Mandate vergeben werden, wurden nicht gehört«, sagte er gegenüber der dpa.
Linkspartei fordert Beweise
In der Berliner Parteizentrale konnte man diese Vorwürfe nicht nachvollziehen. Linke-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler erklärte gegenüber »nd«: »Der Vorwurf eines ›Betrugssystems‹ bei der Aufstellung der Listen zur Bundestagswahl 2021 und zur Landtagswahl ist falsch. Der Bundespartei liegen keine Belege für ein solches angebliches ›Betrugssystem‹ zu den Aufstellungsversammlungen 2021 vor.« Schindler forderte diejenigen auf, die eine solche Behauptung aufstellen, diese zu belegen. »Anderenfalls sollten sie von dieser für die Partei schädlichen falschen Behauptung Abstand nehmen«, forderte Schindler. Wegen der Äußerungen von Lafontaine über die Parteiführung der Saar-Linke läuft gegen ihn vor der Bundesschiedskommission ein Parteiausschlussverfahren.
Der Konflikt zwischen Lafontaine und der Parteispitze dreht sich nicht nur um die Vorgänge im Saarland, sondern auch um die grundsätzliche Ausrichtung der Partei. »Die Wahlergebnisse sind entscheidend. Und das letzte Wahlergebnis bei der Bundestagswahl war ein Ungenügend, wenn man es mit Schulnoten vergleicht. Nur noch fünf Prozent der Arbeiter haben die Linke gewählt. Das ist vernichtend«, sagte Lafontaine. Die Linke habe ihre Kernthemen – bessere Löhne, bessere Renten und bessere Sozialleistungen – zugunsten eines »progressiven Neoliberalismus« vernachlässigt.
Aktuelle Umfragen sehen die Linke im Saarland bei sieben Prozent. Lafontaine hatte vor einiger Zeit angekündigt, bei der Landtagswahl am 27. März nicht erneut antreten zu wollen. Seine Zukunft in der Linkspartei lässt er offen. Auf die Frage der dpa, ob er über einen Austritt nachdenke, sagte Lafontaine lediglich: »Wenn ich eine solche Entscheidung treffen würde, würde ich Sie rechtzeitig informieren.«
Die Frage des »nd«, ob es trotzdem noch eine Aussicht auf Dialog zwischen ihm und der Bundesspitze der Linken geben könnte, ließ Lafontaine bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Nicht nur im Saarland wird dieses Jahr gewählt, sondern auch in anderen Bundesländern. Darunter ist Nordrhein-Westfalen. In diesem Landesverband ist die Ehefrau von Lafontaine, die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht, organisiert. Auch die Frage des »nd«, ob er der nordrhein-westfälischen Linken im Wahlkampf hilfreich zur Seite stehen könnte, wurde von Lafontaine nicht beantwortet.
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