Die Gefahr lauert an den Kreuzungen

Plattform FixMyBerlin identifiziert 220 Knotenpunkte, die für Radler besonders gefährlich sind

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

In Friedrichshain-Kreuzberg sind fast alle großen Straßenkreuzungen im »Happy Bike Index« dunkelrot eingefärbt. Die Farbe steht für eine miserable Situation, was die Sicherheit von Fahrradfahrerinnen und -fahrern angeht, denn laut Auswertung der offiziellen Unfalldaten mit Personenschäden der Jahre 2017 bis 2019 wurden dort Menschen, die auf dem Rad unterwegs waren, verletzt. An der Kreuzung von Mühlenstraße, Stralauer Allee und Warschauer Straße an der Oberbaumbrücke gab es in dem Zeitraum beispielsweise sechs Unfälle mit Schwerverletzten, 25 mit Leichtverletzten.

Die frischveröffentlichte Karte ist ein Werk der Plattform FixMyBerlin, zu Deutsch: Repariere mein Berlin, deren Aktivistinnen und Aktivisten bereits vor einigen Jahren begonnen hatten, die vorhandenen und geplanten Radwege in der Hauptstadt zu kartieren. Auf Basis der Kriterien der Unfallkommission Berlin zählt man dort 220 Kreuzungen, die für die Sicherheit von Radlerinnen und Radlern vordringlich entschärft werden müssten. Als Schwerpunkt gilt dabei ein Knotenpunkt, an dem mindestens drei Unfälle mit schwerem Personenschaden oder getöteten Personen oder mindestens fünf Unfälle mit mindestens leichtem Personenschaden geschehen sind. Weitere 88 gelten als Unfallhäufungsstellen. Dort gab es mindestens drei Unfälle mit Personenschaden.

»Erst mal ist es nur eine Übersicht. Bisher gab es keine Auswertung zum spezifischen Unfallgeschehen an Kreuzungen mit Radfahrerinnen und Radfahrern«, sagt Heiko Rintelen von FixMyBerlin zu »nd«. Es werde zunächst einmal die Dimension des Problems vor Augen geführt. »Es ist wenig überraschend, dass vor allem die Innenstadt und die Bundesstraßen betroffen sind. Dort ist nun einmal viel Verkehr«, so Rintelen weiter.

»Eine interessante Information ist auch, welche Kreuzungen unproblematisch sind«, sagt der Aktivist. Überhaupt keine Zweirad-Unfälle mit Personenschäden wurden in dem Zeitraum beispielsweise an der quirligen und dadurch unübersichtlichen Kreuzung am Hackeschen Markt in Mitte gezählt, wo auch ein reger Straßenbahnverkehr herrscht. Das könnte damit zusammenhängen, dass dort zumindest die motorisierten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer eher langsam und vorsichtig fahren.

Immerhin erfüllt die Unfallkommission Berlin inzwischen ihre Vorgabe aus dem Mobilitätsgesetz, nach tödlichen und gehäuften Unfällen mit Personenschäden Verbesserungsmöglichkeiten an jährlich 30 Kreuzungen zu analysieren und die Maßnahmen einzuleiten. Zum Beispiel wurden im Oktober 2021 am Reichpietschufer Richtung Potsdamer Straße eine getrennte Ampelphase für Rechtsabbieger umgesetzt und die Einmündung des Kaiserdamms am Theodor-Heuss-Platz umgebaut. Bei anderen Maßnahmen, zum Beispiel am Frankfurter Tor oder der Kreuzung Landsberger Allee und Rhinstraße gab es bisher nur eine Anhörung zu den Maßnahmen. Unter dem rot-schwarzen Senat bis 2016 und auch lange Jahre zuvor passierte fast gar nichts.

»Eigentlich braucht es flächendeckendere Maßnahmen«, sagt Heiko Rintelen von FixMyBerlin. Das sieht auch Jan Thomsen, Sprecher der Senatsmobilitätsverwaltung so. »Es wäre ein Missverständnis der Aufgaben und auch der Möglichkeiten der Unfallkommission, wenn man anhand der Einzelmaßnahmen an auffälligen Unfallkreuzungen das Engagement zur Verfolgung der Vision Zero messen wollte«, sagt er zu »nd«. Die Vision Zero, also das Ziel null Verkehrstote, sei nicht durch einzelne Umbauten allein zu erreichen, »und die Unfallkommission ist ausdrücklich kein Instrument für den nötigen systematischen Stadtumbau«, so Thomsen weiter.

Um den Verkehr sicherer zu machen, seien »insbesondere bundesrechtliche Änderungen nötig«, sagt Jan Thomsen und nennt viel mehr Tempo 30 auf Hauptstraßen, eine möglichst weitreichende Vermeidung von Lkw-Fahrten innerorts und die erleichterte Anordnung von Zebrastreifen als Beispiele. Dafür setze sich Berlin auf Bundesebene kontinuierlich ein. Zudem könnten deutlich mehr Kontrollen der Polizei und der Ordnungsämter für mehr Sicherheit sorgen. Ganz generell brauche es »viel weniger Autos insgesamt«.

In Vorbereitung ist laut Mobilitätsverwaltung der Prozess für ein neues Verkehrssicherheitsprogramm 2030, aufbauend auf vertieften Analysen des Verkehrsunfallgeschehens. Ein Beteiligungsprozess im Laufe dieses Jahres soll die Wege dorthin aufzeigen und ein Handlungsprogramm entwickeln. »Erste Ergebnisse sollen Ende 2022 oder Anfang 2023 vorliegen«, so Thomsen.

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