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Wo Schlafstörung ein Dauerzustand ist

Streit um Ausbau des Flughafens Leipzig-Halle hält an / Betreiber wollen Lärm über Gebühren senken

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Friedensangebot kommt kurz vor einer entscheidenden Auseinandersetzung um den Ausbau des Flughafens Halle-Leipzig. Ab Ende März hat die Landesdirektion Sachsen die Online-Erörterung Tausender Einwände angesetzt, die Bürger und Anrainerkommunen gegen die weitere Kapazitätserweiterung des größten sächsischen Airports geäußert hatten. Kurz vorher verkündet dessen Betreiber, man arbeite an einer neuen Entgeltordnung. Sie soll das Gewicht der Flugzeuge, Emissionen und Lärm stärker berücksichtigen sowie Nachtzuschläge regeln. Die Details sind noch nicht bekannt; erst müsse das Wirtschaftsministerium den Katalog genehmigen.

Die Mitteldeutsche Flughafen AG kommt damit einer Kernforderung der Kritiker entgegen. Sie drängen seit Langem auf Maßnahmen gegen die stetig zunehmende Lärmbelästigung. Ein Netzwerk von Initiativen bezeichnet den Airport als die »dreckigste und lauteste stadtnahe nächtliche Lärmquelle« in der Bundesrepublik. Verantwortlich dafür ist vor allem der stetig wachsende Frachtflugverkehr. Er begann, als die damalige Posttochter DHL im Jahr 2008 ihr europäisches Drehkreuz nach Leipzig verlegte, weil es in Brüssel wegen des nächtlichen Lärms zu viel Ärger mit Anwohnern und Behörden gegeben hatte. In Sachsen darf dagegen rund um die Uhr gestartet und gelandet werden. Versuche von Anwohnern, eine nächtliche Pause durchzusetzen, scheiterten vor Gericht.

Die wirtschaftlichen Folgen sind erbaulich: Die Luftfracht sei »weiter im Steigflug«, meldete die Flughafen AG kürzlich. Im Jahr 2021 stieg das Aufkommen um 15 Prozent auf 1,6 Millionen Tonnen. Seit 2007 habe es sich fast verzehnfacht. Allein DHL schlägt jede Nacht rund 350 000 Sendungen in Leipzig um. Daneben haben sich weitere namhafte Firmen der Branche angesiedelt. So betreibt Amazon in Leipzig sein erstes europäisches Umschlagkreuz. Insgesamt steuern 60 Cargo-Airlines den Flughafen an, der als der viertgrößte seiner Art in Europa gilt. Von den 10 800 Jobs am Flughafen sind 8200 mit dem Frachtumschlag verbunden. Darüber hinaus belebe der Luftfahrtknoten aber die gesamte Region, so Götz Ahmelmann, Chef der in öffentlicher Hand befindlichen Flughafen AG: »Davon profitiert ganz Mitteldeutschland.«

Nicht zu den Nutznießern gehören indes die Anwohner, deren Zahl auf 1,5 Millionen beziffert wird. Sie leiden vor allem unter dem enormen Nachtflugbetrieb. Die Frachtflüge erfolgen vor allem zwischen 22 und 6 Uhr. Maschinen starten und landen dabei praktisch im Minutentakt. Allein von 2015 bis 2019 stieg die Zahl der nächtlichen Starts und Landungen um 30 Prozent auf zuletzt 79 000. Werden die jetzt diskutierten Ausbaupläne umgesetzt, könnte die Zahl bis zum Jahr 2032 auf 118 000 ansteigen, ein Plus von etwa 50 Prozent. Geplant ist zum Beispiel, die Zahl der Stellplätze für Maschinen von DHL von 60 auf 96 zu erhöhen.

Breite Ablehnung der Pläne in den Kommunen

Den Anwohnern graust es davor. Das belegen knapp 4000 Einwendungen, die in der ersten Runde des Verfahrens zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses Ende 2020 eingingen. Nach massiver Kritik an Verfahrensmängeln wurde es im Sommer 2021 wiederholt; nun gab es 6350 Einwendungen. Eine Petition fand 10 650 Unterzeichner.

Bemerkenswert ist auch die breite Ablehnung der Pläne in Kommunen. In Städten wie Leipzig oder Delitzsch fielen sie glatt durch. Die Gemeinde Sandersdorf-Brehna in Sachsen-Anhalt forderte ein Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr und mahnte, man solle nicht nur kommerzielle und die Wirtschaft stärkende Ziele berücksichtigen, sondern auch die Belange von Mensch und Umwelt. Die Stadt Landsberg drängte auf eine Deckelung der Zahl der Nachtflüge. Wenn alle 100 Sekunden ein Flugzeug starte oder lande, werde »die Schlafstörung zum Dauerfall«.

Das wiederum kann schwere Folgen haben. Nachtfluglärm wirke sich »besonders schädlich auf die Gesundheit aus«, sagte der Mainzer Mediziner Thomas Münzel, den die Landtagsfraktion der Grünen mit einem Gutachten beauftragt hatte. Er forderte »strengere Maßnahmen« für den Leipziger Airport, unter anderem eine gesetzlich festgelegte Nachtruhe. Einen weiteren Ausbau »empfehle ich nicht«, sagte er im Mai 2021.

Der Betreiber freilich hält an der Erweiterung fest; diese sei »essenziell« für den langfristigen Weiterbetrieb des Drehkreuzes, sagt die Mitteldeutsche Flughafen AG. Immerhin will sie nun aber offenbar an der Gebührenschraube drehen. Das sei »ein Anreiz für ansässige Frachtflugunternehmen, auf emissionsärmere Maschinen umzurüsten«, sagt der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete Holger Mann, der »vor allem DHL« in der Pflicht sieht. Die Linke forderte schon im Juli 2021 per Antrag im Landtag höhere Gebühren für Maschinen, die besonders laut sind oder viel CO2 ausstoßen. So erreiche man eine »deutlich bessere Lenkungswirkung«. Sie verwies auf das Beispiel Bonn, wo am Flughafen mit UPS ebenfalls ein großer Frachtdienstleister ansässig ist. Ein Airbus A 300-600 zahle dort 3800 Euro, in Leipzig seien es nur 2000 Euro. Zur Beruhigung fügte die Linksfraktion an, die Segel gestrichen hätten UPS & Co. in Bonn trotz der höheren Gebühren nicht.

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