Millionengrab Garnisonkirche

Rechercheteam präsentiert Ergebnisse: Finanzierung des Wiederaufbaus war nie gesichert

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Carsten Linke ist Mitglied im Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam. Der laufende Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche ist ihm ein Dorn im Auge. Am Dienstag rechnete er vor, dass der fertige Kirchturm ein Verlustgeschäft sein werde. Eine Stelle für das Marketing kalkulierte Linke dabei großzügig nicht mit ein, und er ließ es auch bei der seiner Ansicht nach viel zu optimistischen Annahme, künftig werde jeder Besucher der Kirche im Schnitt 1,50 Euro Gewinn in den hauseigenen Laden tragen. Trotzdem gelangte Linke zu dem Ergebnis: »Der Betrieb wird pro Jahr eine halbe Millionen Euro verbrennen. Man kann nur davon abraten.«

Aber die Probleme beginnen nicht erst in der Zukunft, sondern sind schon jetzt akut - und sie haben ihren Ursprung in falschen Versprechungen zu den zu erwartenden Spenden. So jedenfalls stellt es ein Rechercheteam dar, das nachforschte und Akteneinsicht nahm. Die Ergebnisse präsentierte Carsten Linke nun zusammen mit Sara Krieg von der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche und Philipp Oswalt vom Rechercheteam.

Chronologie

Die barocke Garnisonkirche wurde 1730 bis 1735 errichtet.

Im März 1933 zelebrierten die Nazis in dieser Kirche die feierliche Reichstagseröffnung. Adolf Hitler verneigte sich vor dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der ihn zum Kanzler ernannt hatte.

Im April 1945 brannte das Gemäuer bei einem Bombenangriff aus.

1968 wurde die Ruine gesprengt.

2004 bat ein »Ruf aus Potsdam« um Spenden für den Wiederaufbau.

2005 erfolgte die Grundsteinlegung.

2008 gründete sich die Stiftung Garnisonkirche.

2017 startete der Bau des Turms.

Im Februar 2022 ist der Rohbau des Turms bis zur Aussichtsplattform auf 57 Metern Höhe abgeschlossen.

Ende 2023, Anfang 2024 soll der Turm eröffnet werden. Der Wiederaufbau des Kirchenschiffs ist nicht mehr beabsichtigt. af

Oswalt selbst entdeckte nach eigener Aussage im Nachlass von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ein Schreiben der Commerzbank, die für die Stiftung Garnisonkirche nicht als Hausbank zur Verfügung stehen wollte, weil deren Finanzierungsprognosen nicht stimmig gewesen seien. Allein die Großspenden, darunter je 1,5 Millionen Euro von Versandhausgründer Werner Otto und Fernsehmoderator Günther Jauch, belaufen sich auf zehn Millionen Euro, dazu kommen schätzungsweise zwei Millionen Euro Kleinspenden, sagte Oswalt. Aber obgleich die Stiftung immer um Spenden für den Wiederaufbau der Kirche werbe - sie habe wohl die Hälfte der Mittel für sich selbst verwendet, da die Stiftung ihren Mitarbeitern Löhne zahlen muss.

Das Kartenhaus sei bis jetzt nur noch nicht in sich zusammengefallen, weil die Stiftung Fördermittel erhalten habe, die nicht hätten ausgezahlt werden dürfen, wenn sich die vorherige Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) an das gehalten hätte, was der Bundesrechnungshof nun der neuen Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) empfiehlt: Mittel erst gewähren, wenn die Gesamtfinanzierung des Projekts gesichert ist. Oswalt spricht von einem »betrügerischen Vorgehen«. Laut Carsten Linke ist ein Anwaltsbüro schon dabei, eine Strafanzeige wegen Subventionsbetrugs vorzubereiten.

20,25 Millionen Euro vom Bund und 2,55 Millionen vom Land Brandenburg seien bereits geflossen, erläutert der Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke), der einst mit dem Wiederaufbau der Kirche einverstanden war - jedoch nur unter der Bedingung, dass dieses Projekt den Staat nichts kostet. 40 Millionen waren ursprünglich allein für den Turm veranschlagt, weitere 60 Millionen für das Kirchenschiff. Jetzt stehen weitere 4,5 Millionen Euro im Bundeshaushalt. Wenn die Lage so ist, wie vom Rechercheteam dargelegt, dürfte Staatsministerin Roth das Geld nicht bewilligen, betont Scharfenberg. Diesen Mittwoch sollen Stiftungsvorstand Peter Leinemann und Altbischof Wolfgang Huber im Hauptausschuss des Stadtparlaments Rede und Antwort stehen. Scharfenberg will ihnen dann sorgfältig überlegte Fragen stellen.

Die Stiftung erklärt, sie werde seit ihrer Gründung durch unabhängige Wirtschaftsprüfer unter die Lupe genommen. »Die Rechtmäßigkeit ihres Handelns und die Vollständigkeit ihrer Angaben wurden jedes Jahr bestätigt.« Man stelle Anträge auf Fördermittel, »wenn keine eigenen Mittel in ausreichender Weise zur Verfügung stehen«.

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