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Schrittweise Sanktionen
Zu ganz harten Strafmaßnahmen wird die EU nicht greifen
Die von der EU-Kommission am Dienstag angekündigten Sanktionen gegen Russland waren unter den Mitgliedstaaten unumstritten - auch weil die wirtschaftlichen und finanziellen Rückwirkungen auf die Europäische Union nicht allzu schmerzlich sind. Bei einem EU-Gipfel am Donnerstag sollten weitere Sanktionen hinzukommen. Im Vorfeld bezweifelten Beobachter, dass unter den 27 Mitgliedstaaten genauso viel Einstimmigkeit herrsche wie bei den ersten Maßnahmen. Deren Funktion war eher symbolischer Natur: Damit werde »das Signal gesetzt, dass die ökonomischen Kosten für Russland steigen«, sagte Stefan Kooths, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
Zunächst wurden die Vermögenswerte der russischen Abgeordneten, die für die Anerkennung der Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt hatten, und einiger Unternehmen in der EU eingefroren. Schließlich soll der Zugang zum Finanzmarkt der EU in Teilen erschwert werden; dazu gehört vor allem ein Verbot des Handels mit russischen Staatsanleihen. Politisch mehr Eindruck dürfte die Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz in Moskau hinterlassen, die Ostseepipeline Nord Stream 2 auf Eis zu legen.
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Auch die USA zielten mit ihren Sanktionen zunächst auf den Finanzsektor ab. Allerdings ist Russland vom westlichen Kapitalmarkt weitgehend unabhängig. Der Rohstoffexporteur hat einen großen Handelsbilanzüberschuss, und die Notenbank verfügt über Währungsreserven von umgerechnet mehr als 400 Milliarden Euro. Der Chef des Wiener Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, sieht Russland so bestens vorbereitet: »Acht Jahre Sanktionen waren Lehrjahre für Russland«, sagte er mit Blick auf die Besetzung der Krim 2014. Der US-Finanzanalyst Jeffrey Halley sprach mit Blick auf die starke russische Wirtschaftsentwicklung von »Puderzucker-Sanktionen«.
Die EU zahlt nun aber durchaus einen Preis. So bereitet Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Verbraucher auf weiter steigende Gas- und Benzinpreise vor. Russland ist bei Erdgas (Anteil: 40 Prozent), aber auch bei Rohöl (27 Prozent) und Steinkohle (47 Prozent) wichtiger Lieferant für die EU. Allerdings erwarten nahezu alle Experten, dass russische Konzerne wie Gazprom ihre meist langfristigen Lieferverträge erfüllen werden, wie sie es selbst in den finstersten Zeiten des Kalten Krieges taten. Nach anfänglichen Marktturbulenzen dürften sich die Rohstoffpreise wieder beruhigen.
Offenbar verfolgen EU und USA eine schrittweise Sanktionsstrategie - dies lässt diplomatische Möglichkeiten. Westliche Regierungen betonen zwar, sie würden auch eigene Nachteile in Kauf nehmen. Bei der Auswahl der Sanktionen berücksichtigen sie dennoch die Rückwirkungen und mögliche Gegenmaßnahmen Russlands. »Dieser Aspekt spielt sicherlich eine größere Rolle als bei den Ländern, gegen die in den vergangenen Jahren umfassende Sanktionen verhängt wurden«, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Schließlich sei die russische Wirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 1500 Milliarden Dollar deutlich größer als etwa diejenige Irans (200 Milliarden) oder Venezuelas (480 Milliarden). Zudem ist Russland ein wichtiger Absatzmarkt vor allem für die deutsche Industrie.
Viel spricht dafür, dass die EU aus Eigeninteresse drängen dürfte, Sanktionen nicht so weit zu verschärfen, dass sie die Versorgung mit entscheidenden Einfuhren gefährden. Dies könnte bei einem Handelsembargo der Fall sein, oder wenn die USA erneut sogenannte Sekundärsanktionen verschärfen würden. Betroffene Unternehmen und Banken aus der EU, die mit Russland Geschäfte machen, könnten dies dann in den USA nicht mehr tun, und ihren dortigen Niederlassungen drohten juristische Konsequenzen.
Damit fallen drastische Maßnahmen wie ein Abkoppeln Russlands von den globalen Devisenmärkten oder vom internationalen Zahlungsverkehr eigentlich weg. Dazu würde ein Ausschluss des Landes aus dem globalen Zahlungssystem Swift zählen, was Transaktionen mit russischen Unternehmen nahezu unmöglich machen würde. Russland würde dann kaum weiter Gas liefern, wenn es die Erlöse nicht transferieren kann.
Nicht nur wegen solcher Überlegungen ist die Wirksamkeit von Sanktionen umstritten. Im Irak Saddam Husseins litt vor allem die Bevölkerung darunter. Auch wurden oft nationalistische Bestrebungen befördert, oder wie im Fall Irans könnten Einschränkungen von Im- und Exporten teilweise unterlaufen werden. Dennoch heißt es aus der EU-Kommission, sie seien »ein Mittel, das in der Regel funktioniert«.
Experten gehen indes davon aus, dass Finanzsanktionen durchschlagendere Wirkung hätten als klassische Handelssanktionen. Langfristig führen sie zu weniger Wirtschaftswachstum und geringeren Zukunftsinvestitionen. So haben Strafmaßnahmen nach der Krim-Annexion dazu beigetragen, dass die von Moskau angestrebte Diversifizierung der rohstofflastigen Wirtschaft kaum vorangekommen ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich auf beiden Seiten die Frage nach den ökonomischen »Opportunitätskosten«: Was wäre, wenn Putin die Volksrepubliken nicht anerkannt hätte und was wäre, wenn der Westen auf Sanktionen verzichtet hätte?
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