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Sieg mit Haltung
Die Bayern siegen 1:0 in Frankfurt und zeigen sich solidarisch mit der Ukraine
Gefühlt gab es kaum einen unter den 25 000 Zuschauern in der Frankfurter Arena, der am Samstag nicht sein Smartphone zückte. Dafür leuchtete die Botschaft in weißen Versalien zu lange über die Videowürfel, wirkten die drei Worte zu einprägsam: »Stop it, Putin!« Viele klatschten sogar noch Applaus, als sich die Teams von Eintracht Frankfurt und Bayern München (0:1) zur Schweigeminute als Zeichen der Anteilnahme aufstellten.
Noch weiter ging aber an diesem Abend Robert Lewandowski in seiner Solidaritätsbekundung, der entschieden hatte, sich eine Kapitänsbinde in den ukrainischen Landesfarben Blau und Gelb überzustreifen, um dem kriegsgeplagten Nachbarland seiner Heimat Polen symbolisch Beistand zu übermitteln. »Die Lage ist dramatisch und die gesamte Welt muss die Ukraine unterstützen. Der Sport kann sich nicht rausnehmen. Wir dürfen nicht akzeptieren, was dort passiert.«
Der in Abwesenheit von Manuel Neuer und Thomas Müller zum Spielführer aufgerückte Bayern-Star bespielte die übergeordnete Ebene dieses Wochenendes: Was kann der Sport, speziell der medial omnipräsente Profifußball tun, um wenigstens Spurenelemente von Haltung zu bewahren, wenn sich der Weltfußballverband Fifa mal wieder vor jeder Verantwortung drückt?
Der Weltfußballer hatte vor Anpfiff via Twitter den polnischen Fußball-Verband unterstützt, der Ende März nicht zu den WM-Playoffs gegen den Kriegstreiber Russland antreten will - übrigens genau wie Schweden . »Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Monat auf den Platz zu gehen und zu vergessen, was passiert. Klar, der Sport ist die eine Sache - aber das kann man nicht aus dem Kopf bekommen und vergessen.«
Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die russischen Spieler nichts für den Krieg könnten. »Wir sind alle gegen Krieg und haben nicht gedacht, dass es so weit kommt. Das nun zu sehen, tut weh«, sagte der sichtlich bewegte 33-Jährige nach Spielende, der sich bei seinem bei Dynamo Kiew spielenden Nationalmannschaftskollegen Tomasz Kedziora über die Situation in der ukrainischen Hauptstadt erkundigt hatte.
Die klare Ansage des bislang nicht durch politische Statements aufgefallenen Torjägers schienen sogar weitaus wichtiger als der nächste Treffer der bayrischen Nummer neun, die im Privatduell gegen den wie im Hinspiel überragenden Frankfurter Torhüter Kevin Trapp leer ausgegangen war. Lewandowski konnte auch deshalb drüber hinwegsehen (und Fragen nach seiner Vertragsverlängerung weglächeln), weil es bis auf eine recht fahrlässige Chancenverwertung auf Münchner Seite sportlich kaum etwas zu beanstanden gab. Abgesehen von einer frühen Chance durch Filip Kostic (7.) hielten die Bayern den Gegner mit einer konsequenten Arbeit gegen den Ball meist weg vom eigenen Tor und den Druck über die gesamte Spieldauer so hoch, dass das Siegtor zwangsläufig fiel.
Der Branchenprimus entschied annähernd zwei Drittel der Zweikämpfe für sich - der beste Wert aller Bundesligisten in dieser Saison überhaupt. Das sei bei den leidenschaftlichen Hessen, die sich eigentlich über das Durchsetzungsvermögen in den direkten Duellen definieren, nicht hoch genug zu bewerten, lobte Trainer Julian Nagelsmann: »Wir waren die aggressivere Mannschaft, daher haben wir verdient gewonnen.«
Sein Schachzug ging auf, Nationalspieler Leroy Sané nicht nur zugunsten einer stabileren Grundordnung auf die Bank zu setzen, sondern auch, wie er sagte, »um Offensivpower nachlegen zu können«. Nach einem perfekten Pass des stark verbesserten Joshua Kimmich, der von einem »Kampfsieg« und einer »echt guten Mentalität« sprach, schob der Edeltechniker nur vier Minuten nach seiner Einwechslung den Ball locker an Trapp vorbei (71.).
So sehr sich Nagelsmann vor den Heimspielen gegen Bayer Leverkusen und RB Salzburg über einen »guten Schritt und eine stabile Leistung« freute, ganz ausblenden konnte auch der 34-Jährige die bedrückende Nachrichtenlage aus der Ukraine nicht: »Das geht jedem nahe. Es ist nicht so ganz leicht, sich auf den Job zu konzentrieren. Ich habe mir das auch nicht vorstellen können, dass das in Europa in dem Ausmaße passiert.« Normalerweise sei er nicht ängstlich, aber in diesem Fall habe auch er Angst.
Und so spannte auch der Bayern-Coach am Samstagabend auf der Pressekonferenz in der Frankfurter Arena den Bogen noch um die ganze Welt: »Ich wünsche mir im Kleinen wie im Großen, dass es schnell wieder Frieden gibt und die Menschen einfach verstehen, dass wir alle auf dem schönen Planeten nur zu Gast sind und friedlich miteinander umgehen, um das Leben genießen zu können. Aktuell ist es alles andere als genießbar.«
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