- Berlin
- Extinction Rebellion
Die Erde brennt an vielen Stellen
Protestaktion von Klima-Aktivist*innen in Berlin nach Vorstellung des neuen Berichts des Weltklimarats
Einen »Atlas des menschlichen Leids« nannte UN-Generalsekretär António Guterres den neuen Bericht des Weltklimarats IPCC bei dessen Vorstellung am Montag. Sie habe geweint, als sie das gehört habe. »Es ist Hoffnung verloren gegangen«, sagt Ina Wolny von Extinction Rebellion zu »nd«. Symbolisch für die Zerstörung der Ökosysteme durch die Klimakrise, die der Bericht erneut aufzeigt, zündeten 20 Aktivist*innen der Klimagerechtigkeitsgruppe am Montag auf der Marschallbrücke vor dem ARD-Hauptstadtstudio in Mitte eine Weltkugel aus Pappmaché an. Manon Gerhardt – eine Maske mit dem Gesicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Kopf – befeuerte die Flammen mit einem Kanister mit der Aufschrift »Grünes Gas«, um den Einfluss fossiler Energiekonzerne auf die Politik zu kritisieren.
Gerade angesichts des Krieges in der Ukraine müsse jetzt auf die wachsende Gefahr der Abhängigkeit von Gas und Öl aufmerksam gemacht werden. »Wir können nicht warten, bis eine Krise – sei es Corona oder ein Krieg – vorbei ist, bevor wir uns mit der nächsten befassen«, betont Manon Gerhardt, eine der Sprecherinnen von XR. All diese Krisen würden zusammenhängen und sich gegenseitig verstärken. »Unsere Erde brennt schon jetzt an so vielen Stellen«, ruft Aktivistin Amelie Meyer am Mikrofon den Passant*innen zu. Von der Pappmaché-Weltkugel sind jetzt nur noch Ascheflocken übrig, die über die Brücke wehen.
»Brennpunkt Erde. Wo bleibt der Alarm?« ist auf einem Banner der Aktivist*innen zu lesen. Mit der Aktion und dem Standort zwischen ARD-Studio und Regierungsviertel wollen sie auf die Verantwortung von Medien und Politik für die Erderwärmung aufmerksam machen. »Wir brauchen Brandreden im Bundestag. Wir brauchen ›Brennpunkte‹ zur besten Sendezeit. Wir brauchen eine krisengerechte Berichterstattung«, fordert Meyer.
Es müsse viel mehr über die Zusammenhänge von Klimakrise, Artensterben, Hungersnöten, Kriegen und Klimaflüchtlingen berichtet werden. »Außerdem vermisse ich eine Systemkritik«, sagt Amelie Meyer im Anschluss an die Aktion zu »nd«. Gerade die ARD habe als öffentlich-rechtlicher Sender den Auftrag, entsprechend zu informieren.
Während der Krieg in der Ukraine oder die Corona-Pandemie von den Medien und auch der Gesellschaft angemessen ernst genommen würden, fehle das beim Thema Klima. »Es bleibt eine Hintergrundkrise, obwohl sie eigentlich die lauteste sein sollte«, kritisiert Aktivistin Ina Wolny. Die vielen Warnungen kommen ihr vor wie ein Stein, der ins Wasser fällt, »aber keine Wellen erzeugt«.
Laut dem nun veröffentlichten Bericht des Weltklimarats ist eine Erderwärmung von mindestens 2 Grad bis 2050 sehr wahrscheinlich. Aktuell liege die globale Durchschnittstemperatur 1,2 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Nicht nur in anderen Teilen der Welt habe das schon jetzt massive Auswirkungen. So ist zum Beispiel Trinkwasserknappheit auch in Berlin und Brandenburg immer wieder Thema. Und im August 2020 lag die Sterblichkeit in Deutschland laut Statistischem Bundesamt um sechs Prozent über dem Durchschnitt der Vorjahre – aber nicht aufgrund der Corona-Pandemie, sondern aufgrund von Hitzewellen. »Auch meine Eltern werden Hitzetote sein«, glaubt Wolny.
Extinction Rebellion erneuert mit der Aktion auch ihre Forderung, repräsentative Bürger*innenräte einzuberufen, die Maßnahmen gegen den Klimakollaps entwickeln sollen. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene sind solche bereits in Planung.
Nachdem die Aktivist*innen in der vergangenen Woche bereits die Berliner Zentrale des russischen Erdgaskonzerns Gazprom blockiert hatten, um gegen Gasimporte und den Krieg zu demonstrieren, ist für Samstag eine Mahnwache geplant – Motto: »1,5 Grad ist tot. Die Krisen sind längst da.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!