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ÖVP weist auf andere

In Österreich befragt der Ausschuss zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen die konservative Riege

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Wort »Chat« ist im politischen Treiben in Wien zu einem Begriff geworden, der knapp drei Jahre nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos sehr direkte Assoziationen auslöst: Korruption, Absprachen, Beleidigungen, Abgehobenheit. Chats waren es, die Kanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP letztlich zu Fall gebracht haben. Chats waren es auch, die seinem Vertrauten Thomas Schmid den Vorstandsposten bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG gekostet haben. Chats waren es letztlich, die dazu geführt haben, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde mit folgendem wenig schmeichelhaften Namen: »ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss«. Dieser Ausschuss nahm am Mittwoch seine Befragungsarbeit auf. Der erste Vorgeladene am Mittwoch: ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer.

Untersuchen soll der Ausschuss grob gesagt vier Fragen: Inwieweit hat die ÖVP Vergabe und Förderverfahren beeinflusst? Gab es eine Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes? Wurden Ermittlungen und Aufklärungsarbeit in irgendeiner Form behindert oder sabotiert? Wurde Einfluss genommen bei der Vergabe von Posten?

Für den Ausschuss interessant ist dabei Nehammers Rolle als Generalsekretär der ÖVP (2018 bis 2020). Konkret geht es um Parteienfinanzierung, denn in diese Zeit fallen auch stark überschrittene Wahlkampfkosten der ÖVP im Wahljahr 2019. Geladen waren am Mittwoch auch der frühere Generalsekretär im Finanzministerium und spätere ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid sowie der Unternehmer Siegfried Wolf. Beide sagten ab. In weiterer Folge sollen Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling, der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, Ibiza-Ermittler sowie auch Ex-ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter sowie der ehemalige Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek aussagen – allesamt ÖVP-Leute. Bisher nicht geladen ist Ex-Kanzler Kurz, eine Ladung gilt aber als wahrscheinlich.

»Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem«, hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Dezember noch bekundet. Und erst am vergangenen Sonntag meinte er mit Blick auf seine Aussage an diesem Mittwoch: Schon die Überschrift des Ausschusses sei »entlarvend genug« und »durchsichtig«. Es gehe in dem Ausschuss offenbar darum, »politische Arbeit zu vollziehen«. Damit bedient sich Nehammer derselben Argumentationslinie wie sein Vor-Vorgänger Sebastian Kurz. Mit einem Unterschied: Kurz hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) direkt bezichtigt, eine Intrige gegen ihn und die ÖVP zu reiten. Nehammer hat die WKStA bisher nicht direkt attackiert.

Sonst aber hat der neue Ausschuss viele Déjà-vus parat. Da war wieder der Kampf um den Vorsitz – in dem sich die ÖVP durchgesetzt hat. Leiten wird die Untersuchung Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der hatte bereits den Ausschuss in Sachen Ibiza geleitet und dafür viel Kritik geerntet. Dabei hat die Aufklärung der Umstände um das Ibiza-Video das Fundament für den neuen Ausschuss gelegt. Denn was als alkoholgeschwängerter Aufreger um den damaligen Juniorpartner in der Regierung, die FPÖ, begann, entwickelte sich im Zuge der Aufklärung mehr und mehr zu einem ganzen Cluster an Skandalen – mit der ÖVP im Zentrum.

Die Quelle für all das Ungemach: Chatprotokolle, die im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen sichergestellt und dem Ibiza-Ausschuss zur Verfügung gestellt wurden – und die dann, höchstwahrscheinlich aus dem Ausschuss heraus, an die Öffentlichkeit kamen. Ein Fiasko für die Regierungspartei mit bekannten Folgen: Rücktritt von Kurz als Kanzler, Interimslösung mit seinem Verbleib als Parteichef. Und schließlich: Abgang in die Privatwirtschaft bei verbrannter Erde.

Und so sieht die ÖVP im Auftrag des Ausschusses auch keineswegs einen ausschließlichen Fokus bei der Aufklärung von Verfehlungen in der eigenen Partei. Wie ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger angekündigt hat, will man auch das Gebaren anderer Parteien unter die Lupe nehmen. Wie Kritiker aber bereits anmerken, würde das den Rahmen des bereits vollgepackten Ausschusses sprengen. Geplant sind zunächst 25 Befragungstage.

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