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Eine Frage der Berechtigung
Berliner Linksfraktion will Sozialisierung von Wohnungen durchsetzen
»Vergesellschaftung gehört zum linken Markenkern!«, heißt es in einem einstimmig von den 20 Anwesenden der 24 Mitglieder verabschiedeten Beschluss der Berliner Linksfraktion vom Samstag auf ihrer online abgehaltenen Klausur. Und, kämpferisch: »Wir sehen uns als Garant für die Umsetzung des Ergebnisses des Volksentscheides und werden dieses aktiv vertreten. Daran hindert uns auch keine Koalitionsraison.«
Die Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen setzt die Linksfraktion unter Zugzwang. »Wir sind die einzige parlamentarische Vertretung der «Vergesellschaftungs-Lobby», die eindeutig für die Vergesellschaftung eintritt«, wird im Beschluss unterstrichen. Nach dem, mit fast 60-Prozent Ja-Stimmen bei der Wahl Ende September 2021 erfolgreichen, Volksentscheid bestehe die Aufgabe der Linken im Senat und im Parlament nun darin, »ein Vergesellschaftungsgesetz zu erarbeiten und zu verabschieden«. Man wolle Geschichte schreiben und zum ersten Mal überhaupt den Sozialisierungs-Artikel 15 des Grundgesetzes zur Anwendung bringen, heißt es dort weiter.
Im Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen wurde zu dem Thema die Einsetzung einer Expertenkommission vereinbart. Diese soll »Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens« prüfen und eine Empfehlung für den Senat erarbeiten, »der dann eine Entscheidung trifft«, wie es in der Vereinbarung heißt. Für die Linksfraktion ist laut Beschluss vom Samstag klar, dass die Kommission »Wege zur Umsetzung aufzeigen« und »grundsätzlich und so weit wie möglich öffentlich tagen« soll. »Uns ist eine kollaborative Struktur und Arbeitsweise auf Augenhöhe und eine Viertelparität innerhalb der Kommission wichtig«, heißt es weiter. Das bedeutet, dass jeder der drei Koalitionspartner und die Initiative je ein Viertel der Mitglieder stellen sollen. Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen forderte entsprechend des Wahlergebnisses, ein Benennungsrecht für 59,1 Prozent der Teilnehmer.
Tatsächlich droht der Berliner Linkspartei, die sich per Beschluss schon vor Jahren vollständig hinter die Ziele des Volksbegehrens gestellt und Zehntausende Unterschriften dafür gesammelt hat, ein Glaubwürdigkeitsproblem. »Die Linke hat keine Authentizität, keine Berechtigung, wenn sie dieses nicht schafft«, sagt Ines Schwerdtner, eine der Sprecherinnen der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, am Samstag bei der Aussprache vor Beschlussfassung. Sie fragt, wie die nun angestrebte Viertelparität legitimiert sei und erklärt: »Wir bleiben bei unserer Forderung von 60 Prozent Beteiligung.« Insgesamt scheint der Initiative das Vorgehen der Fraktion zu zaghaft, zumal mehrere Gutachten die Zulässigkeit belegt hätten.
Fraktions-Geschäftsführer Steffen Zillich sagt, dass der »Umsetzungsauftrag«, den seine Partei aus dem Ergebnis des Volksentscheids lese, »im Koalitionsvertrag nicht vereinbar« gewesen sei. Innen-Experte Niklas Schrader verweist auch auf die »komplizierte Rolle« der Linksfraktion innerhalb einer Regierungskoalition.
Parallel zur Kommissionsarbeit muss der gesellschaftliche Druck und eine gesellschaftliche Debatte aufrecht erhalten werden, ist man in der Fraktion überzeugt. »Wir müssen da alles rausziehen, was wir nur rausziehen können, um die gesellschaftliche Diskussion tatsächlich bestehen zu können«, sagt Fraktionsmitglied Katina Schubert, die auch Linke-Landeschefin ist. »Das wird eine heftige Diskussion«, ist sie sich sicher.
Parteivize Tobias Schulze erinnert: »Sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen gibt es Stimmen, die uns durchaus zur Seite stehen.« Man müsse die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und die Grünen an ihre Versprechen erinnern. »Je schlechter man es vorbereitet, desto eher scheitert man damit vor dem Bundesverfassungsgericht«, warnt Schulz. Das unterstreicht auch Justizsenatorin Lena Kreck. »Es ist überhaupt nicht sinnvoll, schnell handeln zu wollen, sondern wir müssen schlau handeln«, sagt sie. Sie nennt das Projekt »eine politische Chance, die für uns eine unglaubliche politische Verantwortung ist«.
Rechtsexperte Sebastian Schlüsselburg nennt als warnendes Beispiel den Berliner Mietendeckel, bei dem es sogar rechtshistorische Vorbilder gegeben habe und der trotzdem im April 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert sei. Bei Artikel 15 des Grundgesetzes gebe es juristisch »eine nicht ganz so gute Ausgangslage, weil es bisher nicht zum Schwur gekommen ist«, so Schlüsselburg weiter. Vor der Anwendung zurückzuschrecken »wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod«, mahnt jedoch Damiano Valgolio.
Man dürfe der »Frustration nicht Vorschub leisten und muss dafür sorgen, dass der öffentliche Druck bleibt«, sagt Co-Fraktionschefin Anne Helm. Die Linke und die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen stehen vor keiner leichten Aufgabe.
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