Lehrer verlieren ihren Idealismus

Die Herausforderungen für Pädagogen in Brandenburg wachsen stetig - Entlastung ist nicht in Aussicht

  • Winfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Großteil der Lehrerinnen und Lehrer in Brandenburg fühlt sich stark überlastet. Für sie gilt: »Die geforderte Arbeit ist objektiv nicht zu schaffen«, erklärte Hans-Dirk Lenius von der Gemeinnützigen Gesellschaft der Gesamtschulen Brandenburg während einer Anhörung von Vertretern verschiedener Lehrerverbände im Bildungsausschuss des Landtags am Donnerstag. Lenius empfahl für große Schulen, eine zweite Stellvertreter-Stelle für die Schulleitung sowie mehr Beförderungsmöglichkeiten zu schaffen. Angesichts der zunehmenden Ansprüche sei auch die Unterstützung der Lehrerkollegien durch externes ausgebildetes Personal unter anderem in Fragen von Gesundheit oder Sicherheit erforderlich.

Sie selbst bereue es auch heute noch nicht, Lehrerin geworden zu sein, sagte Simone Kopp, kommissarische Schulleiterin des Oberstufenzentrums I Barnim. Doch sei sie nicht mehr sicher, ob dies für alle ihre Kollegen zutreffe. Die Antwort auf die hohen Ansprüche der Zeit sei zweifellos Bildung. Aber neben dem Unterrichten selbst sei eine aufwendige Vor- und Nachbereitung des Unterrichts zu leisten, unter Umständen sei Kontakt mit dem Jugendamt und der Polizei zu halten, seien Corona-Konzepte umzusetzen.

Konfrontiert sei sie mit »Eltern, die gern mit dem Anwalt vorbeikommen«, erklärte Kopp weiter. Trotz schimpfender Eltern und fehlender Ausstattung könne sie sagen, dass 95 Prozent ihrer Kolleginnen und Kollegen die Schüler zuverlässig auf die Abschlüsse vorbereiten. Doch fürchte sie hier um die Aussichten. Kaum einer ihrer erschöpften Kollegen nehme noch Angebote für Zukunftsthemen wahr, viele würden bekunden, ihren Idealismus verloren zu haben. Ihr seien nur noch wenige Lehrkräfte bekannt, die im Schulalltag so etwas wie Erfolg und Freude empfinden. Sie selbst lese Bücher nur noch in den Ferien, der Yoga-Kurs falle oft genug aus.

Inzwischen würden die meisten Lehrer an ihrem Zentrum notgedrungen verkürzt arbeiten. Vom Gehalt »können wir ganz anständig leben«, bestätigte die Schulleiterin. Im Vergleich zur Situation in anderen Ländern komme sie sich aber wie die Klassenletzte vor.

Steffen Neumeyer, Vorsitzender der Vereinigung der Gymnasialschulleiter des Landes Brandenburg, wies auf die Schwierigkeiten einer verlässlichen Personal- und Stundenplanung unter Corona-Bedingungen hin. Er forderte mehr Ressourcen, eine höhere Vertretungsreserve und ein »entsprechendes Zulagensystem«. Wenn die Bedingungen gut seien, dann »könnten auch neue Kolleginnen und Kollegen gewonnen werden«.

Das herausfordernde Verhalten von Schülern erschwere den Lehrkräften oft ihre Arbeit, erklärte Denise Sommer, Vorsitzende des brandenburgischen Grundschulverbandes. Schulen, die an dieser Stelle einer besonderen Belastung ausgesetzt seien, müssten mehr Unterstützung erfahren. Auch die Quereinsteiger im Lehrerberuf würden Aufmerksamkeit und Betreuung benötigen. Sommer erinnerte daran, dass ukrainische Flüchtlingskinder demnächst an die Schulen des Landes kommen werden, das bedeute Kinder mit besonderem Förderungsbedarf. Erforderlich seien ärztliche Gutachten und »unbürokratische Regelungen«, damit auch diese Kinder gut unterrichtet werden können.

Bezogen auf die Erwartungen nach der Verringerung der Pflichtstundenzahl, »würde ich mir nicht trauen, ihnen da Hoffnungen zu machen«, sagte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). Brandenburg liege damit heute schon im Vergleich der Bundesländer »im unteren Bereich«. Der Forderung nach mehr Leitungsstunden sei das Land in den schwierigen Corona-Monaten schon entgegengekommen. Doch was hier gewährt werde, das fehle an anderer Stelle wieder.

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