Putins Nebenschauplatz auf dem Balkan

Bosnien-Herzegowina lebt weiter unter Spannungen, auch Russland ist nicht unbeteiligt. Deutschland will nun mehr für die Region tun

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.
Bombenhagel, zerstörte Wohnblöcke, fliehende Menschen – die Bilder aus dem Ukraine-Krieg wecken bei der Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina schreckliche Erinnerungen an jenes Leid, das diese selbst in den 90er Jahren erfahren musste. Mehr als 100 000 Opfer hatte der von 1992 bis 1995 dauernde Bosnienkrieg gefordert, ehe die Auseinandersetzungen zwischen den von General Ratko Mladić gelenkten Streitkräften der Republik Srpska, den Kroaten und der bosnischen Armee nach wochenlangen Verhandlungen in den Vertrag von Dayton und das heutige Staatsgebiet der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik mündeten. Ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat sich das Massaker von Srebrenica, bei dem mehr als 8000 Bosniaken ihr Leben verloren. 2017 wurde Serbenführer Mladić wegen dieses Völkermords vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal zu lebenslanger Haft verurteilt.

Doch es ist nicht nur der Krieg in der weniger als 1000 Kilometer entfernten Ukraine, der die Bosnier verunsichert. Auch die Spannungen im eigenen Gebiet haben zuletzt wieder zugenommen – und ausgerechnet Putins Russland ist daran nicht unbeteiligt.

Entsprechend lässt sich die dreitägige Reise von Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock auf den Balkan deuten als einen Versuch, die Restabilisierung der Sicherheitslage Europas zu unterstützen durch eine Forcierung der Westanbindung dieser Region und ein Zurückdrängen der pro-russischen Kräfte. Am Donnerstag besuchte die Grünen-Politikerin zunächst die bosnische Hauptstadt Sarajevo, später ging es weiter in den Kosovo und nach Serbien, am Samstag schließt Baerbock ihre Reise in Moldau ab. »Diesen Besuch habe ich seit meinem Amtszeitbeginn vor Augen gehabt, weil die europäische Zukunft der Staaten des westlichen Balkans eine zentrale außenpolitische Priorität für unsere Bundesregierung hat«, sagte Baerbock am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der bosnischen Außenministerin Bisera Turkovic: »Deutschland wird hier und auf dem westlichen Balkan mehr Präsenz zeigen.«

Diese »Präsenz« bekommt auch ein Gesicht: Manuel Sarrazin, ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter und seit 2020 Präsident der vom Auswärtigen Amt finanzierten Südosteuropa-Gesellschaft, wird Sondergesandter der Bundesregierung für die Staaten des westlichen Balkans. Er werde dafür sorgen, dass »die Anliegen der Region in Berlin ganz oben auf der Tagesordnung sind«, sagte Baerbock und gestand, dass man den Balkan zuletzt im Stich gelassen habe.

Nun hat man aber offenbar auch in Berlin die Zeichen der Zeit erkannt: Nachdem der nationalistische Serbenführer Milorad Dodik im Parlament des Landesteils Republika Srpska ein Gesetzespaket verabschieden ließ, in dem der Rückzug der serbischen Teilrepublik aus der gemeinsamen Armee von Bosnien-Herzegowina sowie aus dem Justiz- und Steuersystem des Zentralstaates vorgesehen ist, droht in der Region eine neue Eskalation, die sogar mit dem Zerfall des noch jungen Staates enden könnte. Das Brisante: Dodik wird bei seinem Vorhaben von Russland unterstützt, der Einmarsch von Putins Armee in die Ukraine bedeutet also auch für Bosnien-Herzegowina eine Erhöhung der Gefahrenstufe – und damit für den Rest von Europa.

Entsprechend klar war dann auch die Botschaft von Baerbock: Man werde »denen Einhalt gebieten, die den Frieden in Bosnien und Herzegowina aus selbstsüchtigen Motiven aufs Spiel setzen« und »keine Erosion der Sicherheitslage zulassen«, sagte die Ministerin. Unterstützung erhalten sollen nur diejenigen, die sich »für die Stärkung des Landes einsetzen« – und nicht jene Kräfte, die »an der Desintegration und Schwächung des Landes arbeiten«. Eine klare Anspielung auf Dodik.

Bosnien-Herzegowina hat eine Beitrittsperspektive für die EU, aber noch keinen Kandidatenstatus. Außenministerin Turkovic verlangte nun ein abgekürztes Verfahren sowie einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen: »Wir glauben, dass dies ein starker Beitrag zum Frieden wäre.« Auch unterstützt die Regierung in Sarajevo die Sanktionen gegen Russland – anders als etwa die in Belgrad. Das wird dann die nächste Mammutaufgabe für Baerbock: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić will Anfang April wiedergewählt werden und ist dabei auch auf die Stimmen des pro-russischen Lagers in seiner Bevölkerung angewiesen. Anders ausgedrückt: Der Kreml zündelt überall – auf jeweils eigene Weise. Ein Problem für Europa.

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