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Flüchtlinge an ukrainischer Grenze abgeholt

Mehrere Politiker der Brandenburger Linkspartei sind privat mit Kleinbussen nach Polen gefahren

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Als die drei Kleinbusse bereits unterwegs sind, erhält Stefan Wollenberg den Anruf aus Potsdam, dass die Unterkünfte in der Stadt nun schon voll seien. Was tun? Mit drei Kleinbussen war der Landesgeschäftsführer der brandenburgischen Linkspartei mit den Landesvorsitzenden Anja Mayer und Katharina Slanina sowie zwei Mitarbeitern am Mittwoch aufgebrochen, um gespendete Lebensmittel, Medikamente und Verbandsmaterial zur Übergabe an der polnisch-ukrainischen Grenze zu bringen und auf der Rückfahrt Kriegsflüchtlinge mitzunehmen. 21 Menschen hatten sie in den Fahrzeugen, zwei Wellensittiche und einen Hund.

19 verbrachten die Nacht zum Freitag in der schnell dafür hergerichteten Landesgeschäftsstelle in der Potsdamer Alleestraße - das Haus gehört der Partei -, zwei nahm Wollenberg mit zu sich nach Hause. Für eine neunköpfige Familie mit Großeltern und fünf Kindern besorgte der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke) dann innerhalb von zwölf Stunden eine Bleibe in der Prignitz, für zehn weitere Personen konnte außerhalb Potsdams etwas gefunden werden.

»Keine Bilder können zeigen und beschreiben, was gerade mitten in Europa passiert«, stellt Wollenberg kopfschüttelnd fest. Er beschreibt, wie im polnischen Chelm die mitgebrachten Spenden innerhalb von 20 Minuten in einen Laster umgeladen sind, der sofort losfährt, um die Hilfsgüter hinüber in die Ukraine zu bringen. »Dann das Auffanglager für die, die es über die Grenze geschafft haben«, erzählt Wollenberg. »Kolonnen von privaten Autos, hauptsächlich aus Deutschland, aber auch aus anderen europäischen Staaten - gekommen, um die Menschen in Sicherheit zu bringen, aber auch ins Unbekannte.« Mitgekommen sind schließlich auch eine Mutter mit zwei Kindern, die nach Dänemark will, und eine Großmutter mit ihrer Enkelin, deren Ziel das Ruhrgebiet ist. Auch zwei junge Frauen sind dabei, in Luhansk geboren und 2014 vor den Kämpfen dort nach Kiew geflohen - nun erneut auf der Flucht.

Wollenberg ist erschüttert, dass die Taschen der 21 Menschen den Gepäckraum des Infomobils der Partei nicht einmal zur Hälfte füllen. Mehr Habseligkeiten sind ihnen nicht geblieben.

Schon eine Woche zuvor ist Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter mit seinem Bruder Alexander an die ukrainische Grenze gefahren, hat Spenden gebracht und auf dem Rückweg Flüchtlinge befördert. Geboren 1990, war für Sebastian Walter Russisch nicht mehr Pflicht im Unterricht, und doch hat er die Sprache in der Schule gelernt, was ihm jetzt geholfen hat.

»Wenn du im Sommer nach Kiew willst, dann ruf mich an. Zu dieser Zeit ist es am schönsten. Du bist herzlich eingeladen.« Das hat Sebastian Walter gesagt bekommen. Viele Flüchtlinge hoffen, bald zurückkehren zu können. Wie lange könne der Krieg denn noch dauern? Ein paar Tage vielleicht nur?

Die polnische Polizei lässt sich mittlerweile die Personalausweise derjenigen zeigen, bei denen Flüchtlinge einsteigen, und notiert sich die Adressen. Aus Sicherheitsgründen. Es gibt erste Berichte, dass Menschenhändler unterwegs sind und die Not alleinreisender Frauen ausnutzen. »Unvorstellbar«, denkt Sebastian Walter. Aber dann fällt ihm ein, dass mittlerweile alles Schlechte möglich sei. »Es ist schließlich Krieg.«

Ein Kamerateam des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« hat den Politiker und seinen Bruder auf der Reise begleitet und eine Videoreportage gedreht. Dafür ist Sebastian Walter dankbar. Nicht, weil er als Politiker nach der Aufmerksamkeit gieren würde, sondern weil die Reportage vielleicht anderen Menschen Mut macht, auch zu helfen.

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