Das Geschäft mit dem Tod boomt

Weltweit sind Rüstungsexporte zurückgegangen. In Europa befinden sie sich aber auf einem hohen Niveau, auch wegen des Ukraine-Kriegs

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

In Kriegszeiten klingeln die Kassen der Rüstungskonzerne. Sie profitieren davon, dass die Konfliktparteien ebenso aufrüsten wie Staaten, die sich in der Nähe der umkämpften Gebiete befinden. Rüstungsexporte spielen dann eine immer wichtigere Rolle. Wie sich diese entwickeln, untersucht regelmäßig das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri. Der am Montag in Stockholm vorgelegte Bericht befasst sich schwerpunktmäßig auch mit der Ukraine.

Demnach waren die Waffeneinfuhren in die frühere Sowjetrepublik bis zum vergangenen Jahr vergleichsweise gering. Von 2017 bis 2021 habe der Anteil nur 0,1 Prozent der gesamten weltweiten Waffenimporte ausgemacht. Die Waffenlieferungen an die Ukraine hätten in diesem Zeitraum »eher eine politische als eine militärische Bedeutung« gehabt, so die Friedensforscher. In dieser Zeit kämpfte das ukrainische Militär gegen pro-russische Separatisten in den selbst ernannten Volksrepubliken, die sich im Osten des Landes befinden. Dabei setzten die Kiewer Truppen viele Waffen ein, die hauptsächlich aus der Sowjetzeit stammen.

Die größte militärische Bedeutung hatte in dem untersuchten Zeitraum die Lieferung von zwölf bewaffneten Drohnen durch die Türkei. Sie gelten im weltweiten Wettbewerb als modern und effizient. Die Ukraine besitzt diese Kampfdrohnen seit 2019. In den vergangenen drei Jahren bis zum Angriff Russlands hat Kiew rund 50 dieser Drohnen angeschafft. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass die Waffenlieferungen in die Ukraine kurz vor und während des Krieges mit Russland stark zugenommen haben.

In den Jahren 2017 bis 2021 war Tschechien der Hauptlieferant größerer Waffen an die Ukraine. Die Tschechen lieferten 41 Prozent der gesamten ukrainischen Waffenimporte. Darunter waren 87 gepanzerte Fahrzeuge und 56 Artilleriegeschütze. Ende Februar wurde dann bekannt, dass Tschechien der Ukraine 30 000 Pistolen, 7000 Sturmgewehre, 3000 Maschinengewehre, mehrere Dutzend Scharfschützengewehre und etwa eine Million Schuss Munition zur Verfügung stellt.

Auf Platz zwei folgten die USA mit 31 Prozent. Die Lieferungen umfassten 540 leichte Panzerabwehrraketen. Das Weiße Haus hatte im September vergangenen Jahres mitgeteilt, dass die US-Unterstützung für die ukrainischen Sicherheitskräfte sich seit 2014 auf 2,5 Milliarden Dollar belaufe. Frankreich, Litauen, Polen und die Türkei waren die einzigen anderen größeren Waffenlieferanten des Landes.

Sipri erklärte den vergleichsweise geringen Umfang der Waffentransfers an die Ukraine in den vergangenen Jahren einerseits durch die begrenzten finanziellen Ressourcen Kiews. Hinzu kam, dass das Land über eigene Fähigkeiten zur Waffenproduktion und ein großes Arsenal an wichtigen Waffen verfügt. Einige Staaten wie Deutschland waren lange zurückhaltend. Dann kam nach der russischen Invasion die Kehrtwende der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Die ukrainische Armee sollte etwa 1000 Panzerabwehrwaffen aus deutschen Beständen erhalten. Hinzu kamen rund 500 Flugabwehrwaffe »Stinger« aus Beständen der Bundeswehr sowie weitere Waffen.

Die Ukraine liegt in der weltweiten Rangliste der waffenexportierenden Länder auf Platz 14. Künftig wird das Land seine Waffen wohl vor allem selbst für den Krieg nutzen. Außerdem befinden sich große Teile der ukrainischen Rüstungsindustrie in gefährdeten und umkämpften Gebieten, etwa im ostukrainischen Charkiw.

Die Welt ist noch unsicherer geworden

Insgesamt hat das Volumen des internationalen Waffenhandels auf der Welt in den vergangenen fünf Jahren leicht abgenommen. Das Volumen der internationalen Waffenlieferungen sank im Vergleich zum vorherigen Fünfjahreszeitraum um 4,6 Prozent. Im Vergleich zu den Jahren 2007 bis 2011 bedeuten die neuen Werte aber ein Plus von 3,9 Prozent.

»Die Welt ist kein sichererer Ort als zu Beginn der 1990er Jahre oder am Ende des Kalten Krieges«, konstatierte Sipri-Experte Siemon Wezeman. Größere coronabedingte Auswirkungen auf den Handel gab es nicht. In Ländern wie Finnland und der Schweiz wurden Beschlüsse getroffen, um eine beträchtliche Anzahl an Großwaffen zu kaufen. Bei mehreren europäischen Staaten rechnen die Friedensforscher mit Blick auf Großaufträge vor allem für US-Kampfflugzeuge mit zunehmenden Importzahlen im Laufe des kommenden Jahrzehnts.

Zu beachten ist auch, dass die Entwicklungen in den Regionen der Welt sehr unterschiedlich sind. Südamerika importierte so wenige Rüstungsgüter wie seit 50 Jahren nicht mehr. Dagegen lassen sich unverändert hohe Einfuhrzahlen in Europa, Ostasien, Ozeanien und im Nahen Osten beobachten. 43 Prozent der Waffenlieferungen gingen nach Asien und Ozeanien. Es folgten der Mittlere Osten mit 32 Prozent und Europa mit 13 Prozent. Das Importvolumen der europäischen Staaten stieg um 19 Prozent. Die wichtigsten europäischen Importeure sind Großbritannien, Norwegen und die Niederlande.

Die USA haben ihren Vorsprung als größter Waffenexporteur der Welt zuletzt sogar ausgebaut. Sie sind vor allem wegen ihrer Militärflugzeuge für 39 Prozent aller Rüstungsexporte verantwortlich. Dieser Anteil ist mehr als doppelt so groß wie der von Russland, das auf dem zweiten Platz rangiert. Die russischen Rüstungsexporte nahmen um 26 Prozent ab. Die Lieferungen an den weltgrößten Waffenimporteur Indien und an Vietnam gingen deutlich zurück. Insbesondere die Inder suchen nach neuen Lieferanten oder produzierten verstärkt selber Kriegsmaterial. Außerdem üben die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in Europa Druck auf Staaten wie Indien, Algerien und Ägypten aus, auf russische Waffenlieferungen zu verzichten. Wegen des Kriegs in der Ukraine werden sie diesen Druck voraussichtlich noch verstärken. Wezeman ging davon aus, dass westliche Staaten auf der Suche nach weiteren Verbündeten seien und die Lieferung moderner Waffen als Lockmittel einsetzen könnten.

Während die US-Rüstungsschmieden auf ein Fünfjahreswachstum von 14 Prozent kamen, lag diese Zunahme bei den französischen Firmen sogar bei 59 Prozent. Die fünf größten Waffenexporteure der Erde werden weiter von China und Deutschland komplettiert. Die fünf Staaten waren gemeinsam für mehr als drei Viertel aller Lieferungen verantwortlich.

Die Bundesrepublik verzeichnete einen Rückgang ihres Exportvolumens um 19 Prozent im Vergleich mit dem vorherigen Fünfjahreszeitraum und um 49 Prozent im Vergleich zu 2007 bis 2011. Solche Zahlen könnten sich mit einem Großauftrag jedoch schnell verschieben. Deutsche Waffenlieferungen wie Fregatten, U-Boote und gepanzerte Fahrzeuge machen 4,5 Prozent der weltweiten Rüstungsexporte aus. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 9,35 Milliarden Euro genehmigt, Ausfuhren von mehr als vier Milliarden Euro entfielen dabei auf Ägypten, das unter anderem am Krieg im Jemen beteiligt ist.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.