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Willkommen unter schweren Bedingungen

Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Tegel geht an den Start, Helfer stehen weiter unter großem Druck

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein Hilferuf. »Wir gehen auf dem Zahnfleisch, wenn nicht endlich Unterstützung kommt«, sagt Yasemin Acar am Montag zu »nd«. Die freiwillige Helferin hat in den vergangenen drei Wochen aus der Ukraine ankommende Kriegsflüchtlinge am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) empfangen.

Zusammen mit mittlerweile mehr als 350 Ehrenamtlichen versucht sie den Menschen, die vor allem nachts in Bussen direkt aus der Ukraine ankommen, so gut es geht beiseite zu stehen. Rund um die Uhr, in Schichten von 50-60 Personen, unterstützt von 15 Mitarbeiter*innen des Malteser Hilfsdienstes. Die zunehmend mental und physisch belastende Situation sei aber nicht weiter tragbar, hatten die Helfer*innen am Sonntag mitgeteilt. Trotz der wochenlangen Bitte um Unterstützung durch den Senat und mehr professionelle Helfer*innen werde die kritische Infrastruktur nach wie vor von ehrenamtlich Helfenden aufrecht erhalten. Dabei sei man täglich in Kontakt mit Mitarbeiter*innen vom Krisenstab des Landes und der Senatsverwaltung, sagt Acar. »Alle geben ihr Bestes«, ist sich die Helferin sicher. Dennoch deute der bürokratische Aufwand, der offiziell betrieben werde, darauf hin, dass die weitaus flexibleren Freiwilligen, die sich unter dem Namen Berlin Arrival Support koordinieren, weiterhin den Großteil der Willkommenshilfe stemmen müssten. Die Busse aus der Ukraine kämen fast ausschließlich nachts an, erklärt Yasemin Acar, auf 2500 schätzt sie die tägliche Anzahl der Menschen. Sie gehe davon aus, dass sich in den nächsten Tagen die Zahl stark erhöhen werde. »Wir sprechen mit den ukrainischen Busfahrer*innen. An der ukrainisch-polnischen Grenze stecken sehr viele Menschen fest.«

Ob diese Einschätzung von Bund, Land und großen Hilfsorganisationen gehört wird und am ZOB konkrete Unterstützung eingesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die Freiwilligen jedenfalls sind längst am Limit.

Tatsächlich scheint die Situation am ZOB im Vergleich zum Hauptbahnhof zuletzt aus dem Blick geraten zu sein. Von Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hatte es geheißen, man wolle die nah gelegene Messe nur als »Not-Notunterkunft« einsetzen, zumal dort keine umfänglichen Sanitäranlagen aufgebaut werden könnten. Im Fokus stand zudem tagelang das am Sonntag eröffnete Ankunftszentrum am ehemaligen Flughafen Tegel.

Das Land Berlin hat bislang nach ersten vorläufigen Zahlen rund 26 Millionen Euro für Aufnahme, Betreuung und Verteilung von Flüchtlingen aus der Ukraine ausgegeben. »Das ist noch nicht alles«, ließ die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Sonntag wissen. Die Sozialleistungen für die geflüchteten Menschen seien nicht eingerechnet. 7000 Menschen haben sich inzwischen bei den Bezirken dafür registrieren lassen. Giffey forderte erneut, dass der Bund einen Teil der Kosten tragen müsse. Bis zum 7. April - der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz - müsse es eine Vereinbarung über die Finanzierung geben.

Im Ankunftszentrum Tegel erfolgt an 120 Schaltern die Registrierung. Für die Betreuung und Begleitung der Geflüchteten stellen Hilfsorganisationen vor Ort laut Sozialverwaltung rund 200 Kräfte bereit. Auch 80 Soldaten der Bundeswehr sind seit einigen Tagen im Einsatz. Diese Unterstützung ist laut Senat bis zum 31. März bewilligt. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten hofft indes, dass die Hilfe der Bundeswehr verlängert wird.

Laut Katja Kipping sind 30 bis 40 Prozent der Ankommenden Kinder. Sie sprach vom »Anfang einer Mammutaufgabe«. Die nächste sei die Integration sowie der Zugang zu Schulen, Kitas und zum Arbeitsmarkt.

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