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Was ist schon normal?
BallHaus Ost: Jena ist überall. Zwischen Spanien und Transnistrien
Der Frühling kam mit Wucht, und ursprünglich sollte der Schurkenstaat Transnistrien besucht werden. Transnistrien ist eine dieser sogenannten Republiken in russischer Grenznähe, wo ein de facto von Russland unterstütztes Regime in dessen Sinne für Ordnung sorgt. Die Hauptstadt heißt Tiraspol, macht es nun Klick?
In seiner Kolumne "Ballhaus Ost" blickt Frank Willmann alle zwei Wochen auf die Geschehnisse im Ostfußball - das wilde Treiben in den Stadien zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Alle Texte finden sie unter dasnd.de/ballhaus
Genau, dort kickt Sheriff (sic!) Tiraspol, die jüngst Meister Moldaus wurden und tatsächlich in der Champions League das Treiben verrückt machten. Das könnte sich im Zuge der vielen Sanktionen bald erledigt haben, weil der Verein 1993 von zwei einstigen KGB-Offizieren gegründet wurde, die aus ihrem Beruf, der »Law and Order«-Gedönserei, den Namen Sheriff für ihre halbsmarten Unternehmen im russlandfreundlichen Land an der Grenze zur Ukraine ableiteten.
Zu Beginn der Champions-League-Saison dichteten Schreiberlinge gern romantisch über die Verhältnisse vor Ort, die brutalen Dummköpfen viel Geld einbringen - auf Kosten der Normalos und Brillenträger*innen. Tiraspol spielt in Moldaus Liga, weil Transnistrien nach Völkerrecht und Ansicht der Uefa zu Moldau gehört. Das sehen die Russen naturgemäß anders, nach deren Sichtweise alles Mütterchen Russland zuzurechnen ist.
Auch die Rumänen melden sich ab und an zaghaft zu Wort, weil die wiederum meinen, Moldau gehöre eigentlich zu Rumänien und habe früher mal in Teilen Bessarabien geheißen (gehörte bis 1945 tatsächlich zu Rumänien). Ihr Mitdeutschen, schätzen wir uns glücklich, dass Bismarck einst mit der blutigen Sense draufging und dafür sorgte, dass wir heute einig Vaterland sind und uns im Straußenledersofa einen abkuscheln können, während in unserer Einliegerwohnung (die wir uns redlich erarbeitet haben!) wahlweise eine ukrainische oder syrische Mutter mit ihren Kindern zittert.
Es geht jedenfalls drunter, drüber und drauf in Transnistrien, das informierte Zungen gern als Europas Schmuggelstaat Nummer 1 bezeichnen. Unter normalen Umständen wäre das also ein geniales Reiseziel mit Abstecher nach Odessa, aber was ist heute schon normal? Normal ist in Deutschland, dass aktuell viele Fanszenen Geld und gute Taten in die Ukraine schicken. Normal ist, dass ein gegnerischer Torwart nicht mehr als schwules Arschloch, Wichser und Hurensohn bezeichnet wird. Normal ist, dass ab und zu ein Becher aufs Spielfeld gelangt, im Eifer des Gefechts. Normal sollte auch bleiben, dass Ultras »Hasch mich!« mit der Polizei spielen und den Gegnern das Fähnchen abjagen wollen. Bei sogenannten Hochrisikospielen wird schon kein Normalbier mehr ausgeschenkt. Na gut, man säuft halt vorm Stadion, doch ich schweife ab.
Wir wollten also nach Tiraspol, kamen aber wegen bekannter Reisehindernisse nur bis Rota in Spanien - östlich von Portugal (denn es geht ja in dieser Kolumne um den Osten), zwischen der Mündung des Guadalquivir und der Bahía des Cádiz. Dort wird selbstverständlich auch Fußball gespielt. Und weil Xerez in Rota zu Gast war, fühlten wir uns gleich heimisch: Vierte Liga, ein gefallener einstiger Erstligist, zu Gast bei einem Dorfverein, wie Jena in Meuselwitz. Das Stadion in Rota ein Traum! Bröselnde Tribünen, Blümchen und tirilierende Amseln. Im Naturpark gegenüber dösen die legendären Chamäleons, die für Rotas Spitznamen »Rammdösige Chamäleons« (frei übersetzt) Pate standen. 400 Fans aus Xerez (blaue Trikots, weiße Hosen, gelblicher Schmutz) sind gekommen. Und als Krönung eine Kneipe, deren Plastestühle direkt hinterm Tor mündeten. Was soll ich sagen - natürlich gewannen die Blaugelbweißen. Werden aber wahrscheinlich (traditionell knapp) den Aufstieg verpassen. Alles wie in Jena? Sagte ich doch bereits!
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