Razzien gegen Linke im Südwesten

Die Stuttgarter »Krawallnacht« und Proteste gegen Querdenken führen zu Hausdurchsuchungen

Um 6.10 Uhr hat es am Dienstagmorgen im Linken Zentrum »Lilo Herrmann« in Stuttgart gerumst. Einsatzkräfte der polizeilichen Spezialtruppen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten drangen in das Zentrum ein und zerstörten dabei mehrere Türen. Ihr Ziel: eine Wohngemeinschaft, die zum Zentrum gehört. Die Durchsuchung ist nur Teil einer größer angelegten Aktion. Auch an anderen Orten in Stuttgart, Tübingen und Villingen-Schwenningen finden Hausdurchsuchungen statt. Hintergrund sind zwei unterschiedliche Ermittlungskomplexe der Stuttgarter und der Konstanzer Polizei. Die Stuttgarter Polizei ermittelt wegen der als »Krawallnacht« bekannt gewordenen Ausschreitungen vom 21. Juni 2020. Damals war es zu Ausschreitungen gekommen, nachdem sich Jugendliche durch Polizeikontrollen gegängelt gefühlt hatten.

Nach den Ausschreitungen hatte es eine breite Debatte über Jugendgewalt gegeben; der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) war in die baden-württembergische Landeshauptstadt gereist und hatte vor einem eigens herbeigeschafften demolierten Polizeiwagen »harte Strafen« gegen die »Partyszene« gefordert. Nun, fast zwei Jahre später, ist sich die Polizei sicher, dass mindestens zwei der Täter der »linken Szene zugerechnet« werden können. Ihnen werden Flaschenwürfe und Sachbeschädigungen vorgeworfen. Welche Erkenntnisse die Durchsuchungen gebracht haben, konnte die Stuttgarter Polizei bis Dienstagnachmittag nicht mitteilen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Weitere Hausdurchsuchungen betreffen eine Aktion am Rande einer Querdenker-Kundgebung am 4. Oktober 2020 in Konstanz. 60 Antifaschisten hatten eine Spontandemonstration zum Wohnhaus eines Aktivisten der »Identitären Bewegung« veranstaltet, dort flogen Eier und Farbbeutel gegen die Fassade. Im Wohnumfeld des »Identitären« wurden außerdem sogenannte Outing-Plakate geklebt. Lukas, einer der Betroffenen, berichtet, dass ihm Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen werden. Bei der Durchsuchung wurden Handy und Computer sichergestellt. Unter Zwang wurden DNA-Proben entnommen. Gegenüber dem »nd« reiht Lukas die Durchsuchung in eine »Reihe von Repressionen« ein, in Baden-Württemberg werde »an vielen Stellen« zugeschlagen. Was ihm Kraft gegeben habe, sei, dass früh »solidarische Menschen« vor Ort gewesen seien.

Für das Linke Zentrum »Lilo Herrmann« ist klar, dass die Hausdurchsuchungen in den unterschiedlichen Ermittlungskomplexen zusammengedacht werden müssen. In einer Erklärung nennt das Zentrum die Durchsuchungen eine »Repressionswelle«, deren Botschaft eindeutig sei: »Der Feind steht links.« In Stuttgart steht Ende der Woche ein linker Aktivist vor Gericht, den eine Haftstrafe erwartet. Drei weitere Antifaschisten aus Stuttgart verbüßen wegen Auseinandersetzungen mit Rechten derzeit mehrjährige Haftstrafen.

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