- Sport
- Fußball: Deutschland gegen Israel
Israels ewiger Konflikt mit arabischstämmigen Nationalspielern
Israel, Gegner der DFB-Elf, hat schon lange mit internen Problemen zu kämpfen
Im September 2021 erspielten Israels Fußballer den eindrucksvollsten Sieg ihrer jüngeren Geschichte. Doch beim 5:2 gegen Österreich in der WM-Qualifikation entlud sich auch mal wieder ein ewiger Konflikt. Im Sammy-Ofer-Stadion von Haifa buhten und schimpften Fans gegen Munas Dabbur, einen ihrer talentiertesten Spieler. Rechtsextreme Politiker und nationalistische Fernsehkommentatoren forderten den Ausschluss von Dabbur aus dem Nationalteam. Diese Meinung ist in Israel noch immer verbreitet.
Die besondere Feindseligkeit gegen den 29-Jährigen hat ihre Wurzeln im Mai 2021. Abermals war es zu Kämpfen zwischen Israelis und Palästinensern gekommen. Die israelische Regierung startete eine Militäraktion im Gazastreifen, die radikalislamische Hamas feuerte Raketen auf Israel, fast 250 Menschen kamen ums Leben. Und Dabbur veröffentlichte ein Foto der Al-Aqsa-Moschee, eine der heiligen Stätten des Islam in Jerusalem, und dazu ein Zitat aus dem Koran: »Denkt nicht, dass Gott die Taten der bösen Menschen ignorieren wird.« Nationalisten legten ihm das als Unterstützung der Hamas aus.
An diesem Sonnabend empfängt die deutsche Mannschaft die israelische Auswahl zu einem Länderspiel, und zwar im Stadion der TSG Hoffenheim in Sinsheim, wo Dabbur seit 2020 unter Vertrag steht. Er ist einer der erfolgreichsten arabischstämmigen Nationalspieler der israelischen Geschichte - und galt lange als eine Symbolfigur für die Teilhabe der Muslime im jüdischen Staat. Rund zwanzig Prozent der Israelis sind arabischer Herkunft. Sie haben im Schnitt einen höheren Lebensstandard als die Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen. Doch im Vergleich zur jüdischen Mehrheit stoßen sie häufiger auf Widerstände: in Gesundheitsvorsorge, Bildung oder Jobsuche. Das Nationalstaatsgesetz von 2018 erklärte Israel zur »nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes« und Hebräisch zur alleinigen Nationalsprache, das Arabische wurde degradiert.
Der Fußball vermittelte zumindest ein Bild der Annäherung. In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Zahl arabisch geprägter Mannschaften im israelischen Spielbetrieb gestiegen. In der Startelf der Nationalmannschaft standen mitunter fünf oder sechs arabische Spieler. »Mit Hilfe des Fußballs können sich viele Israelis einreden, dass ihr Staat allen Menschen die gleichen Chancen bietet«, sagt der Soziologe Tamir Sorek. »Die jüdische Öffentlichkeit unterstützt die arabischen Spieler, solange sie erfolgreich sind und sich still unterordnen. Doch sobald sie Kritik am System äußern, ist es mit der Akzeptanz vorbei.«
Sorek beschreibt den Fußball im Nahen Osten als Ort der Begegnung, aber auch als Instrument der Kontrolle - und das seit Jahrzehnten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten im britischen Mandatsgebiet Palästina zunächst jüdische und englische Teams diesen Sport geprägt. Viele Araber sträubten sich gegen den »westlichen Import« Fußball. Der erste Verband in der Region, gegründet 1928, nannte sein Nationalteam »Land of Israel« und nutzte zionistische Symbole, schreibt der palästinensische Sporthistoriker Issam Khalidi in seinem Buch »One Hundred Years of Football in Palestine«.
Durch die Immigration jüdischer Flüchtlinge aus Europa während des Zweiten Weltkriegs fühlten sich viele Araber an den Rand gedrängt. Muslimische Politiker nahmen in einem Aufruf 1946 Lehrer und Sportler in die Pflicht: »Als Soldaten solltet Ihr auf dem Sportfeld viele Jahre aktiv sein.« Die Gründung Israels 1948 und der Unabhängigkeitskrieg gegen arabische Nachbarstaaten stoppten die Sportkultur der Palästinenser. Auch dass sich Israels Behörden in den 50er und 60er Jahren auf einem schmalen Grat bewegten, beschreibt Khalidi. Einerseits wollten sie Gründungen von arabischen Sportklubs in Grenzen halten, weil eine Mobilisierung von jungen Männern gegen den Staat befürchtet wurde. Andererseits duldeten sie Turniere in arabischen Dörfern, weil sie Fußball weniger bedrohlich empfanden als Parteien.
Für den Durchbruch sorgte dann Rifaat Turk, der 1976 als erster arabischer Spieler ins israelische Nationalteam berufen wurde. »Mit der Kommerzialisierung verschwammen die Grenzen«, sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann. »Die Profivereine wollten erfolgreich sein und suchten auch in arabischen Gemeinden nach Talenten.« Im Fußball hofften arabische Jugendliche auf den sozialen Aufstieg. Anders sah es im Basketball, Handball oder Schwimmen aus. Noch heute sind arabische Israelis in diesen Sportarten unterrepräsentiert. Doch auch im Fußball Israels gab es Rückschläge. Während der »Zweiten Intifada« kam es ab 2000 zu Gewaltausbrüchen zwischen Palästinensern und Israelis. Spiele in arabischen Dörfern wurden abgesagt oder von der Polizei kontrolliert. Im Mai 2004 stürmten israelische Truppen ein palästinensisches Flüchtlingslager im Gazastreifen, weil sie dort Terroristen vermuteten. Zu jener Zeit gewann der FC Bnei Sachnin aus dem Norden Israels als erster arabischer Klub den nationalen Pokal. Jassir Arafat, Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, sprach vom »Stolz für die arabische Nation«.
Abbas Suan, Kapitän des FC Bnei Sachnin, etablierte sich in Israels Nationalteam. Wie andere Muslime sagte er, müsse er mehr Leistung bringen, um von der jüdischen Mehrheit akzeptiert zu werden. Die israelische Hymne »Hatikwa« wollte er nicht mitsingen, da darin das Jüdische betont werde. »Suan sprach sich für einen unabhängigen Staat Palästina aus«, erinnert Nahostexperte James M. Dorsey. »Dafür wurde er auch im Gazastreifen und im Westjordanland gefeiert.« Zum Beispiel von Jibril Rajoub, einem Politiker der Fatah-Partei. Als Präsident des palästinensischen Fußballverbandes forderte Rajoub mehrfach den Ausschluss Israels aus der Fifa.
Jüdische Nationalisten nehmen genau wahr, wer arabisch-israelische Nationalspieler wie Munas Dabbur vereinnahmt. Rechtsextreme Fans von Beitar Jerusalem mobilisieren immer wieder für Angriffe auf Araber wie vor einem Jahr nach der Eskalation im Gazastreifen. Auch deshalb melden sich Fußballer selten mit politischen Botschaften zu Wort.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!