- Wirtschaft und Umwelt
- Privatisierung des Weltraums
Supermarkt für Satellitenbilder
Woher die Fotos vom Krieg stammen
Ein Bild ging kürzlich um die Welt: Es zeigte einen 60 Kilometer langen russischen Militärkonvoi, der Anfang März nordwestlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew stand, und war vom US-Unternehmen Maxar Technologies aufgenommen worden. Früher hatten nur Geheimdienste und Militärs solch superscharfe Fotos von oben, heute kann man sie von Privatfirmen kaufen. Der Weltraum wird zum Supermarkt für Satellitenbilder.
Der Wandel kam, als einige US-Milliardäre wie Amazon-Chef Jeff Bezos oder Elek-troauto-Pionier Elon Musk den Weltraum als Geschäftsfeld und als Spielwiese für ihre Astronautenträume entdeckten. Am 30. Mai 2020 startete zur Internationalen Weltraumstation erstmals eine bemannte Rakete, die nicht einem Staat, sondern einem privaten Unternehmen gehörte, nämlich Musks SpaceX. Im vergangenen Sommer flogen dann erstmals zivile Amateurbesatzungen mit einer Privatfirma in eine Erdumlaufbahn.
Schon seit Jahrzehnten arbeiten allerdings die US-Weltraumbehörde Nasa und ihr europäisches Pendant Esa mit Privaten zusammen. In den 1980er Jahren bot das europäische Gemeinschaftsunternehmen Arianespace als erster kommerzieller Anbieter Starts von Trägerraketen an. Konzerne wie Airbus, Investoren und Banken wie BNP Paribas freuen sich über »die Privatisierung des Weltraums«. Dabei geht es mehr um Forschungsraketen als um touristische Kurzreisen für Milliardäre. Etwa 3500 Satelliten kreisen derzeit um die Erde, übertragen Daten und Signale in unglaublicher Geschwindigkeit, so der Börsen-Infodienst Finanztrends. Ob Fernsehen, Internet, Navigation, Kartografie, Finanzmarktdaten, Flugverkehr oder Wettervorhersagen – »trotz einer Entfernung von Tausenden von Kilometern würde ohne die Trabanten in unserem Alltag nichts mehr funktionieren«, heißt es dort. Obendrein sind Satelliten – Kosten mindestens 500 000 Euro pro Stück – eine besonders lukrative Sparte der Raumfahrt. Der Umsatz bei deren Herstellung, Betrieb und Wartung wuchs in den vergangenen 15 Jahren »exponentiell«.
Wohl am meisten profitierte davon Maxar Technologies. Das Unternehmen produziert und betreibt Satelliten, die vorrangig zur Erdbeobachtung eingesetzt werden. Stammkunde ist laut »Basler Zeitung« das National Reconnaissance Office (NRO), ein US-Militärgeheimdienst, der der CIA untersteht und für die Bildaufklärung verantwortlich ist. 300 Millionen US-Dollar pro Jahr zahlt allein die NRO demnach an Maxar dafür, dass sie den ersten Zugriff auf die Bilder hat und zudem mitbestimmen kann, welche Gegenden die vier hochauflösenden Kamera-Satelliten in den Blick nehmen.
Geheimdienste, die früher auf Nasa oder Esa angewiesen waren, freuen sich inzwischen über die kommerziellen Anbieter. Sie erlauben es ihnen, Behauptungen mit Bildern zu unterlegen, die veröffentlicht werden können. Ihre eigenen Möglichkeiten dürften über das hinausgehen, was Anbieter wie Maxar und deren US-Konkurrenten wie Black Sky, Planet oder Capella Space leisten.
Doch auch die EU-Kommission baut ein eigenes satellitenbasiertes Netz auf. Bis zu 50 000 Satelliten könnten beispielsweise das Internet bis in die entlegensten Winkel der Erde ausstrahlen. Satellitengestütztes Web bietet wiederum die Grundlage für viele Zukunftstechniken wie Autonomes Fahren, Internet der Dinge oder Virtual Reality. Der Markt wächst und bietet quasi grenzenlose Chancen, wie die US-Investmentbank Morgan Stanley in einer Analyse schreibt.
»Wenn die EU sich da nicht engagiert, droht sie ein weiteres Mal in die Abhängigkeit von den USA und China zu geraten«, schreibt Daniel Voelsen, Leiter der Forschungsgruppe »Globale Fragen« in der regierungsnahen Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik, in einer Studie. Für ein solches Projekt ist die europäische Industrie weit besser aufgestellt als viele denken. Das britische Unternehmen One-Web, an dem der teilstaatliche französische Konzern Eutelsat beteiligt ist, brachte im Februar 34 Satelliten in die Erdumlaufbahn. Träger war eine Ariane-Rakete, entwickelt vom deutsch-französischen Gemeinschaftsunternehmen Airbus, das wiederum von zahlreichen Technologiezulieferern unterstützt wird. Im Laufe dieses Jahres will One-Web sein Netz weiter ausbauen – es umfasst nun schon 428 Satelliten.
Derweil lässt die Esa neue Satelliten der zweiten Generation für das frei nutzbare Navigationssystem Galileo bauen. Dieses ist dem US-amerikanischen Konkurrenten GPS nach Expertenmeinung deutlich überlegen. Die Messgenauigkeit beläuft sich auf eine Abweichung von wenigen Zentimetern. Galileo besteht derzeit aus 28 Satelliten, von denen 22 in Betrieb sind. Maßgeblich an deren Bau beteiligt ist übrigens das Bremer Unternehmen OHB.
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