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Hotspot-Regel wird zum Ladenhüter
Bisher wollen nur Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg nach dem 2. April an verstärkten Corona-Maßnahmen festhalten
Lange galt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als Mahner in der Pandemie. Doch längst ist der CSU-Vorsitzende vom Mitglied im »Team Vorsicht« wieder zum berechnenden Einzelkämpfer geworden. Am Sonntag tritt nach einer mehrwöchigen Übergangsphase das geänderte Infektionsschutzgesetz in Kraft. Mit Ausnahme einer Maskenpflicht im Nah- und Fernverkehr, in Pflegeheimen und Kliniken sowie einer Testpflicht in Pflegeheimen und Schulen müssen die Länder künftig wieder allein entscheiden, ob sie darüber hinaus weitere Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie ergreifen.
Das geänderte Gesetz sieht vor, dass die Landtage per Beschluss einzelne Regionen oder sogar das gesamte Bundesland zu einem Hotspot erklären können, in dem dann schärfere Regeln gelten dürfen. Söder allerdings ließ wissen, in Bayern werde auf diese Regelung nicht zurückgreifen: »Wir werden in Bayern ein solch schlampiges Gesetz nicht anwenden.«
Gleichzeitig kritisiert der CSU-Vorsitzende, dass der Bund die Maskenpflicht in den meisten Innenräumen – etwa in Supermärkten und Freizeiteinrichtungen – abschaffe. »Wir glauben, dass das alles ein bisschen überstürzt kommt. Aber wenn’s dann so ist, dann muss man das so annehmen«, so der Ministerpräsident. Zynische Pointe: Würde Bayern die Hotspot-Regelung anwenden, könnte der Landtag eben jene erweiterte Maskenpflicht einführen, deren Fehlen Söder auf Bundesebene beklagt. Die bayerischen Grünen fordern genau das. »Die Söder-Regierung zerredet lieber die Beschlüsse der Bundesregierung, statt ihren Teil zur Pandemiebekämpfung beizutragen«, kritisiert Katharina Schulze, Grünen-Fraktionschefin im bayerischen Landtag.
Was die Partei in dem einen Bundesland kritisiert, findet allerdings genauso in einem anderen unter ihrer Führung statt. Aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg hieß es am Dienstag ebenfalls, dass die Hotspot-Regelung nicht zur Anwendung kommen soll. Auch hier hieß es ähnlich wie aus den meisten Ländern, es gebe Befürchtungen, dass die Regeln vor Gericht keinen Bestand haben könnten. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) appellierte daher an die Bevölkerung, in Innenräumen freiwillig weiter Maske zu tragen.
In Sachsen, wo die Grünen nur der kleinste Partner einer Koalition mit CDU und SPD sind, sieht die Lage noch einmal anders aus. Obwohl sogar Ministerpräsident Michael Kretschmer Medienberichten zufolge die Hotspot-Regelung nutzen wollte, um insbesondere eine Maskenpflicht im Einzelhandel beizubehalten, scheiterte der Vorstoß am Widerstand der eigenen CDU-Fraktion. Die Grünen sind damit unzufrieden, wie Kathleen Kuhfuß, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, am Dienstag klarstellte: »Die Masken sind von den meisten Sächsinnen und Sachsen akzeptiert. Gerade deshalb fordern wir als ›Team Vorsicht‹ die Beibehaltung der Maskenpflicht in Innenräumen.«
Tatsächlich sieht es bisher so aus, dass die meisten Bundesländer nach dem 2. April die Hotspot-Regel grundsätzlich oder zumindest vorerst nicht anwenden wollen. Anders ist es in zwei SPD-geführten Ländern. Mit den Stimmen der rot-roten Koalition sowie der Grünen erklärte der Schweriner Landtag bereits am Donnerstag das gesamte Bundesland bis zunächst Ende April zum Hotspot. Am Mittwoch dürfte die Hamburger Bürgerschaft den gleichen Weg für die Hansestadt beschließen, nachdem sich neben der rot-grünen Regierung auch Linke und CDU dafür ausgesprochen haben. Norddeutschland dürfte damit zum Testfall für das Infektionsschutzgesetz werden. FDP und AfD haben in Hamburg bereits mit Klagen gedroht, sobald der Beschluss im Parlament gefasst wird.
Umfassende Rückendeckung dürfen sich beide Länder vom Bund nicht erhoffen, auch wenn Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) am Dienstag darauf drängte. »Ich erwarte schon, dass wir Unterstützung bekommen, wenn wir unseren regionalen Weg hier gehen.« Während nämlich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Länder ermuntert, von der Hotspot-Regel Gebrauch zu machen, verwies Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf die hohen Voraussetzungen dafür. ⋌
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