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Corona treibt Krankenstand auf Rekordniveau
Laut AOK zu Jahresbeginn mehr Krankmeldungen als üblich - Brandenburger Kabinett beschließt Lockerung von Maßnahmen
Anfang Januar bis Mitte März haben die hohen Corona-Inzidenzen in der Hauptstadt den Krankenstand »auf den höchsten jemals ermittelten Wert getrieben«, meldet die Krankenkasse AOK Nordost am Dienstag. Sie hat dazu die ihr vorliegenden Krankmeldungen analysiert. Da etwa jeder fünfte Berliner bei der AOK krankenversichert ist, seien die Daten annährend repräsentativ, heißt es. Rund 310 000 Krankmeldungen registrierte die Krankenkasse in den ersten zehn Kalenderwochen des Jahres. Im Mittel der Jahre 2019 bis 2021 hatte es in den Vergleichszeiträumen nur 167 000 Krankmeldungen von AOK-Versicherten gegeben.
»Die Corona-Rekord-Inzidenz, die Berlin im Januar verzeichnete, hat auch einen Rekord-Krankenstand verursacht«, erläutert Pressesprecher Dirk Becker. »In den Berliner Betrieben waren im Januar und Februar rund doppelt so viele Mitarbeitende krankgeschrieben wie in den Vorjahren.« Zum März hin normalisierte sich die Lage etwas. Für den gesamten Zeitraum von zweieinhalb Monaten ergibt sich daraus ein Anstieg der Krankmeldungen um 85 Prozent über das gewöhnliche Maß hinaus.
Aktuell werden in den brandenburgischen Krankenhäusern 768 Corona-Patienten behandelt. 77 von ihnen liegen auf der Intensivstation, 42 werden beatmet.
10,8 Prozent der im Land verfügbaren Intensivbetten sind mit Corona-Patienten belegt.
Innerhalb der zurückliegenden sieben Tage haben sich 1288 Brandenburger je 100 000 Einwohner mit dem Coronavirus angesteckt.
Die Zahl der gemeldeten Todesfälle stieg am Dienstag um 12 auf 5398.
Abgesehen vom Landkreis Potsdam-Mittelmark (692) liegt die Sieben-Tage-Inzidenz überall in Brandenburg über 750, was der Grenzwert für eine Hotspot-Region ist. Am höchsten ist die Sieben-Tage-Inzidenz mit 2075 im Landkreis Ostprignitz-Ruppin.
In Berlin beträgt der Inzidenzwert 1076,5.
In 9,9 Prozent der Intensivbetten in der Hauptstadt liegen Corona-Patienten.
Die Zahl der in Berlin seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 gemeldeten Todesfälle stieg am Dienstag um 8 auf 4363.
69 Prozent der Brandenburger und 77,6 Prozent der Berliner Bevölkerung sind vollständig geimpft. af
In Brandenburg, wo jeder vierte Einwohner bei der AOK versichert ist, sind es 45 Prozent mehr als üblich. Hier gab es in den ersten zehn Kalenderwochen des Jahres 220 000 Krankmeldungen, normal sind 155 000. Der Höchststand mit 114 Prozent mehr Krankmeldungen als üblich war in Berlin in der ersten Kalenderwoche erreicht, in Brandenburg war es die sechste Kalenderwoche mit 54 Prozent über dem Normalwert.
Die AOK liest aus ihren Zahlen ab, dass die Corona-Inzidenz ein maßgeblicher Treiber für den hohen Krankenstand gewesen sei. In Berlin habe die Inzidenz schon Ende Januar bei über 2000 und damit rund ein Drittel höher als in Brandenburg gelegen. Parallel dazu sei auch der Krankenstand deutlich höher gewesen. Anfang Februar sei die Inzidenz in Berlin gesunken, während sie in Brandenburg zwei Wochen länger hoch war. 56 Prozent der krank Gemeldeten waren übrigens weiblich. Die AOK erklärt die ungleiche Verteilung damit, das Frauen häufiger in Berufen mit hohem Ansteckungsrisiko arbeiten - etwa als Arzthelferin oder Erzieherin.
Obwohl der Inzidenzwert in Brandenburg immer noch bei fast 1300 liegt, beschloss das rot-schwarz-grüne Kabinett am Dienstag eine Lockerung der Corona-Maßnahmen. Am 3. April fällt die Maskenpflicht in Läden und Schulen. Dagegen sind in Bus und Bahn weiter FFP2-Masken vorgeschrieben. Im Schulbus und für Jugendliche bis 14 Jahre genügt eine OP-Maske, Kinder bis sechs Jahre sind von der Maskenpflicht befreit. Pflicht bleiben Masken in Brandenburg für Krankenhäuser, Pflegeheime und Arztpraxen.
»Ich freue mich, dass wir zum 3. April viele Einschränkungen zurücknehmen können«, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). »Aber wir sind noch nicht durch die Pandemie.« Woidke bat die Bevölkerung: »Nutzen Sie die Freiheit in Verantwortung, damit wir keinen Bumerang erleben.«
Auch Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) appellierte, »sich trotz der deutlichen Lockerungen weiter besonnen und vor allem rücksichtsvoll zu verhalten, denn es gibt noch viele Erkrankungen und auch zu beklagende Todesfälle«. Man solle Abstand halten und auf Hygiene achten. Die neuen Corona-Regeln gelten zunächst bis 30. April. Weitergehende Einschränkungen müsste der Landtag beschließen.
Kein Verständnis für eine neue Lässigkeit zeigte der Landtagsabgeordnete Ronny Kretschmer (Linke). Er sieht die Gefahr einer »weiteren unkontrollierten Ausbreitung« von Corona. Die Aufhebung der Maskenpflicht in den Schulen nennt er falsch. Es herrsche weiterhin eine angespannte Lage. »Ich will mich an 300 Corona-Tote pro Tag nicht gewöhnen«, sagte Kretschmer. Wer leichtsinnig einen Tag der Freiheit ausrufe, riskiere einen Herbst mit hohen Infektionszahlen. Andere Staaten wie Österreich und Großbritannien haben es zwar vorgemacht. Aber das überzeugt Kretschmer nicht. Österreich habe viele Lockerungen schon wieder zurückgenommen, sagte er. Dort seien die Infektionszahlen nach dem Wegfall der Schutzmaßnahmen »durch die Decke gegangen«.
Die Freien Wähler sind hingegen für die schrittweise Aufhebung der Corona-Maßnahmen. Diese hätten mehr Schaden als Nutzen gebracht, meinte Fraktionschef Péter Vida erkannt zu haben.
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