Inflation ist so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr

Die Verbraucherpreise verteuerten sich im März um 7,3 Prozent

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Menschen hierzulande mussten im März tiefer in die Tasche greifen. Aufgrund gestiegener Energiepreise und weiterer Lieferengpässe stieg die Inflationsrate weiter an. Sie betrug vorläufigen Berechnungen zufolge 7,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte. Laut den amtlichen Statistker*innen war die Inflationsrate in Deutschland zuletzt im Herbst 1981 ähnlich hoch, als infolge der Auswirkungen des Ersten Golfkrieges die Mineralölpreise ebenfalls stark gestiegen waren.

»Die Folgen des Ukraine-Krieges haben die Inflation in Deutschland im März auf einen neuen Höchstwert springen lassen«, kommentierte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Konjunkturforschung und Makroökonomie (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, die neuen Inflationszahlen. Es seien in erster Linie Energie, aber auch die Nahrungsmittel, die sich erneut als Preistreiber entpuppt haben.

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So verteuerten sich Lebensmittel im März durchschnittlich um 6,5 Prozent, Haushaltsenergie und Kraftstoffe waren um 39,5 Prozent teurer als vor einem Jahr. »Der fast 40-prozentige Anstieg der Energiepreise erklärt mehr als die Hälfte der aktuellen Inflation«, so Dullien. »Auch wenn Destatis bisher nur grobe Details veröffentlicht hat, wissen wir, dass vor allem Kraftstoffe teuer geworden sind.«

Bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine stiegen die Energiepreise massiv und trieben die Inflationsrate damit nach oben. So lag die Inflationsrate im Januar im Vergleich zu den Preisen im Vorjahresmonat bei 4,9 Prozent, während Energieprodukte damals im Jahresvergleich um 20,5 Prozent teurer waren. Im Februar zog die Inflation dann mit 5,1 Prozent noch mal an - mit einer Preissteigerung bei Energieprodukten von 22,5 Prozent. Besonders verteuerten sich dabei im Februar leichtes Heizöl und Erdgas mit 52,6 und 35,7 Prozent. Der Sprit an der Tankstelle war im Februar dieses Jahres um durchschnittlich 25,8 Prozent teurer als ein Jahr zuvor.

Ökonom*innen rechnen damit, dass die Inflationsrate auch im Jahresverlauf extrem hoch bleiben wird. Das IMK rechnet mit Inflationsraten von bis zu 6,2 Prozent. »Sollte es zu einem weiteren Anstieg der Energiepreise kommen, etwa bei einem Lieferstopp russischer Energie, könnte die Rate noch einmal deutlich höher ausfallen«, so IMK-Chef Dullien. Unterdessen geht das Münchner Ifo-Institut von einer Teuerungsrate von 5,1 bis 6,1 Prozent für dieses Jahr aus, das Kieler Institut für Weltwirtschaft von 5,8 Prozent. Vergleichsweise optimistisch ist das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle mit 4,8 Prozent. Aber auch das wäre noch ungewöhnlich hoch. So verfolgt die Europäische Zentralbank (EZB) ein Inflationsziel von rund zwei Prozent.

Besonders problematisch an den hohen Inflationsraten ist, dass die Preissteigerungen vor allem einfache Haushalte treffen. So berechnet das IMK seit Jahresanfang auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe und Verbraucherpreisstatistik des Statistischen Bundesamtes die spezifische Inflationsrate für verschiedene Haushaltstypen mit unterschiedlichen Nettohaushaltseinkommen. Besonders betroffen von den drastischen Preissteigerungen bei der Haushaltsenergie sind demnach Haushalte mit geringen Einkommen.

»Diese Haushalte wenden nicht nur einen höheren Anteil ihrer Konsumausgaben für die Haushaltsenergie auf, sie verfügen auch nur sehr begrenzt über Rücklagen, die sie einsetzen könnten, um ihr Konsumniveau aufrechtzuerhalten«, schreibt das IMK in seiner am Dienstag veröffentlichen Konjunkturprognose. So schlagen sich die Preise für Haushaltsenergie bei Alleinlebenden und bei Familien mit Kindern einkommensarmer Haushalte etwa doppelt so stark nieder wie in denen einkommensreicher Haushalte.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Marcel Fratzscher, warnt ebenfalls vor den sozialen Folgen der Inflation. »Wir erleben eine höchst unsoziale Inflation, weil es Menschen mit geringen Einkommen sehr viel härter trifft und diese Menschen sich kaum schützen können und kaum Rücklagen haben«, schrieb Fratzscher auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Lage einkommensschwacher Haushalte wird sich vermutlich auch in den nächsten Monaten weiter verschlechtern. Für die kommenden Monate sei von den Energiemärkten nicht mit Entspannung zu rechnen, warnt Ökonom Dullien: »Die Großhandelspreise für Gas und Strom deuten darauf hin, dass vor allem Haushaltsenergie für die Endkunden weiter teurer werden dürfte.« So war importiertes Erdgas im Februar 256,5 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Importierte Energie verteuerte sich insgesamt um 129,5 Prozent. Auch die Preise für hierzulande erzeugte Energie schossen mit 68 Prozent regelrecht in die Höhe.

Zwar deutet sich laut Dullien beim Kraftstoff eine gewisse Entlastung an, auch weil die Bundesregierung im Rahmen des zweiten Entlastungspaketes vorübergehend die Steuern darauf senken will. »Diese Entlastungen sind aber rechnerisch zu klein, um in der Inflationsrate den Anstieg der Haushaltenergiepreise zu kompensieren«, schätzt der Konjunkturexperte. Gleichzeitig dürften seiner Einschätzung zufolge auch Nahrungsmittel absehbar weiter teurer werden, weil die Ukraine und Russland nicht nur wichtige Nahrungsmittel-, sondern auch Düngerproduzenten sind und die Düngemittelpreise wegen der hohen Gaspreise ebenfalls angezogen haben. So könnte es Dullien zufolge für die Bundesregierung trotz der beiden bereits beschlossenen Entlastungspakete »in den kommenden Monaten notwendig werden, noch einmal nachzulegen, um die Belastungen vor allem niedriger bis in die mittleren Einkommen hinein abzufedern und soziale Härten zu vermeiden«.

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