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Gegen Holocaust-Relativierung
Frühere Widerstandskämpfer verurteilen Instrumentalisierung von Nazi-Verbrechen im Ukraine-Krieg
»Eingreifen, bevor es zu spät ist«, lautete kürzlich die Überschrift eines Kommentars in der »Zeit«. Dort spricht sich der Redakteur Richard Herzinger für eine Flugverbotszone aus. Denn, so der Autor: »Sanktionen und Waffenlieferungen stoppen Wladimir Putins Vernichtungskrieg nicht.« Herzinger ist nicht der Einzige, der in den letzten Wochen den russischen Einmarsch in die Ukraine mit dem Überfall des faschistischen Deutschland auf die Sowjetunion 1941 und dem millionenfachen Morden der Nazis dort verglichen hat.
Gegen die Nutzung solcher Begriffe von ukrainischer Seite, aber noch mehr durch Deutsche haben sich jetzt die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer*innen (Fédération Internationale des Résistants, FIR) und die Internationalen Lagergemeinschaften ehemaliger KZ-Häftlinge gewandt. In der FIR sind Antifaschist*innen aus 20 europäischen Ländern und Israel vereint. In einer Stellungnahme wenden sie sich zugleich dagegen, dass Russland seine Aggression gegen die Ukraine mit einer angeblich notwendigen »Entnazifizierung« rechtfertigt. Auch die Behauptung, man müsse den »Genozid« an der russischsprachigen Bevölkerung im Osten des Landes stoppen, sei unangemessen, erklären die Verbände. Moskau hatte auf neofaschistische Organisationen wie das Asow-Bataillon, das mittlerweile in die reguläre Armee der Ukraine eingegliedert ist, und auf die öffentliche Verherrlichung des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera mit Denkmälern, Feiertagen und Aufmärschen verwiesen.
Die FIR erklärte, der Tod von mehr als 14 000 Menschen in der Ostukraine im seit 2014 andauernden Bürgerkrieg sei unbestreitbar eine Tragödie. Die Bezeichnung dessen als Genozid verharmlose jedoch den Holocaust. Die Verbände verwahren sich dagegen, mit solchen Begründungen einen Angriffskrieg zu legitimieren.
Zugleich werden in der FIR-Erklärung die ukrainische Regierung und der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, kritisiert. Sie behaupten regelmäßig, Russland würde nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen die »gesamte freie Welt« einen »Vernichtungskrieg« führen. Zudem moniert die FIR, dass Melnyk das Asow-Bataillon gegen jede Kritik verteidigt.
Scharf verurteilen die antifaschistischen Verbände auch die von der ukrainischen Regierung verbreitete Meldung, die russische Armee habe gezielt die Gedenkstätte Babyn Yar in Kiew, die an den NS-Massenmord an Tausenden Juden und anderen Bürgern, vornehmlich Kommunisten, erinnere, mit Raketen angegriffen. Ein Journalist der »Jerusalem Times« habe mit Bildern belegt, das nicht die Gedenkstätte, sondern ein weit davon entfernter Sendemast angegriffen wurde. Die FIR spricht hier von einer Methode der Holocaust-Relativierung, gegen die sie sich entschieden verwahrt.
In der Erklärung wird auch die Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor der israelischen Knesset am 20. März scharf kritisiert. In Jerusalem habe er »diese Form von Geschichtsrevision auf die Spitze« getrieben, indem er den Tag des russischen Angriffs mit dem Datum der Gründung der NSDAP verknüpfte. Danach behauptete Selenskyj, so wie die Nazis damals von einer »Endlösung der Judenfrage« gesprochen hätten, sei inzwischen in Moskau von einer »Endlösung der ukrainischen Frage« die Rede. Die Bedrohung sei »dieselbe«, fuhr der ukrainische Präsident fort: »die totale Zerstörung von Volk, Staat, Kultur«. Diese Gleichsetzung verurteilt die FIR scharf.
Zugleich verweist sie darauf, dass diese Äußerungen bei der israelischen Regierung und im Parlament nicht auf Zustimmung trafen. Man habe in Israel nicht vergessen, »in welchem Maße in der heutigen Ukraine neofaschistische und antisemitische Übergriffe in den vergangenen Jahren an der Tagesordnung waren«. Israels Kommunikationsminister Yoaz Hendel nannte Selenskyjs Vergleich auf Twitter »unerhört«. Der Abgeordnete und ehemalige Finanz- und Geheimdienstminister Yuval Steinitz erklärte, jeder Vergleich zwischen einem »regulären Krieg« und der »Vernichtung von Millionen Juden in Gaskammern« grenze »an Holocaust-Leugnung«.
Die FIR erinnerte in ihrer Erklärung daran, dass auch vor 23 Jahren zur propagandistischen Legitimierung des Nato-Krieges gegen Jugoslawien 1999 der Holocaust relativiert wurde - damals vom deutschen Außenminister Josef Fischer (Grüne), der dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević vorwarf, wie Hitler zu handeln. Fischer hatte sogar behauptet, im Kosovo drohe sich das »Menschheitsverbrechen von Auschwitz« zu wiederholen.
Kritik an Vernichtungskrieg-Vergleichen hatte auch der Politikwissenschaftler Sven Bernhard Gareis geübt. Deutschlands Krieg gegen die Sowjetunion sei »von rassistischer Ideologie« getragen gewesen, mit der einer »angeblich minderwertigen Rasse das Lebensrecht« abgesprochen wurde, sagte Gareis dem Sender NTV.
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