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Die Linke sagt leise Servus

Landesverband wählt neuen Vorstand und verfällt dabei in alte Muster

  • Andreas Fritsche, Schönefeld
  • Lesedauer: 6 Min.

»Ich habe keine Lust auf innerparteiliche Grabenkämpfe«, sagt die Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg am Wochenende auf dem Landesparteitag der brandenburgischen Linken in Schönefeld. Es ist Krieg in der Ukraine, und Dannenberg will für den Frieden kämpfen. Das wollen die Delegierten des Parteitags zweifellos alle, auch wenn es im Detail unterschiedliche Ansichten über den Umgang mit Russland gibt. Die blauen Stimmkarten der Delegierten ziert eine weiße Friedenstaube. Damit fassen sie zu Beginn des zweitägigen Parteitags am Samstagmorgen ein paar einstimmige Beschlüsse zur Zusammensetzung des Tagungspräsidiums und zu anderen Formalitäten.

Doch damit scheint der Vorrat an Gemeinsamkeiten schon erschöpft, auch wenn es an Aufrufen zur Geschlossenheit nicht mangelt. »Arschbacken zusammenkneifen. Wir sind die soziale Opposition. Alles andere ist zweitrangig«, mahnt etwa Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler. Seit Januar ist er zahlendes Mitglied im Kreisverband Potsdam. Er wohnt zwar schon lange in der Stadt, war aber bis dato in Sachsen-Anhalt organisiert.

Wie könne es sein, dass seine Friedenspartei während eines Krieges Stimmen verliert? Das fragt der Bundestagsabgeordnete Christian Görke. Er antwortet gleich selbst, macht Personalstreit und Strömungsdebatten dafür verantwortlich. »Bodenständig« wünscht er sich die Partei, in die er vor 36 Jahren eintrat. Da hieß sie noch SED, zwischendurch PDS, jetzt Linke. Die Partei überlebte die Wende von 1989 und das Verfehlen der Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl 2002. Nun ist ihr Fortbestand wieder bedroht.

Das enttäuschende Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 stecke allen noch in den Knochen, und bei der Landtagswahl im Saarland habe die Partei eine weitere Niederlage erlitten, erinnert die scheidende Landesvorsitzende Anja Mayer. Sie bittet, respektvoll miteinander umzugehen und eine »kulturvolle Debatte zu führen, die nach außen ausstrahlt«. Mayer betont: »Der Hauptgegner steht nicht in der eigenen Partei.«

Zwei Jahre war Mayer Landesgeschäftsführerin und vier Jahre Landesvorsitzende. »Trotz Enttäuschungen, schmerzhafter Widersprüche und persönlicher Angriffe überwiegt nicht der Groll«, versichert sie. Zwischen den vielen Niederlagen gab es auch einzelne Erfolge, darunter 2018 der Sieg von René Wilke bei der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt (Oder). Mayer beendet ihre Abschiedsrede mit einem für das Lausitzer Braunkohlerevier typischen Bergmannsgruß, den sie mit einem Gruß aus ihrer alten Heimat verbindet: »Glück auf, oder wie man in Bayern sagt: Servus.«

Ihren Nachfolgern wünscht sie viel Erfolg. Es sind Katharina Slanina, mit der Anja Mayer die letzten zwei Jahre schon eine Doppelspitze bildete, und Landtagsfraktionschef Sebastian Walter. Diese Lösung ist bereits vor Monaten angedacht gewesen. Doch Walter winkte lange ab. Als er neulich als alleiniger Fraktionschef bestätigt wurde - auch im Parlament hätte es eine Doppelspitze geben können - und als er dann auch noch Vater wurde, schien die Idee beerdigt zu sein. Katharina Slanina wollte künftig als alleinige Landesvorsitzende die Partei führen.

Eine Doppelspitze mit dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Norbert Müller zu bilden, konnte sich Slanina nicht vorstellen. Er war in der Vergangenheit Teil von Auseinandersetzungen beispielsweise mit Anja Mayer. Das gibt er auch unumwunden zu. Trotzdem sagt Müller jetzt: »Gehen wir nicht gemeinsam nach vorn, verlieren wir alle.« Als er vor 20 Jahren in die Partei eintrat, zählte sie in Brandenburg 15 000 Mitglieder. Nun sind keine 5000 übrig geblieben. Im Bundestagswahljahr 2021 habe der Mitgliederschwund im Bundesland fünf Prozent betragen und damit mehr als in allen anderen Landesverbänden, beklagt Müller. Er möchte das Konzept für eine Mitgliederoffensive aus der Schublade holen und endlich umsetzen. »Ein ›Hoffentlich überleben wir den Parteitag und am Montag geht es irgendwie weiter‹ ist kein Plan für die Zukunft«, argumentiert er. »Dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, wird nicht helfen.«

Weil Katharina Slanina für eine Doppelspitze mit ihm nicht zur Verfügung stand und weil Norbert Müller sich nicht als bezahlter Stellvertreter ohne echte Kompetenzen abfinden lassen wollte, bildete er ein Gespann mit Anja Kreisel. Beide haben zusammen einen Fünf-Punkte-Plan zur Zukunft der Landespartei vorgelegt.

»Ich möchte hier nicht das Licht ausmachen«, sagt Anja Kreisel. Fenster auf, frische Luft rein, schlägt sie vor. Kreisel ist in Frankfurt (Oder) geboren, in Eisenhüttenstadt aufgewachsen. »Die volle Packung Osten.« Pünktlich zur Einschulung sei ihre Familie in eine Plattenbauwohnung eingezogen, erzählt die 42-Jährige. Nach der Wende wurden die Eltern, die beide im Stahlwerk arbeiteten, in Kurzarbeit geschickt. Eltern von Schulkameraden verloren die Arbeit und bekamen nie wieder einen Job, viele zogen weg. Von den leeren Wohnblöcken hat Kreisel noch lange schlecht geträumt. »Manche empfinden diese Kandidatur als störend«, weiß Kreisel. Sie versichert: »Es ist mein Angebot, nicht das Angebot einer Sprechpuppe von irgendjemand.«

In dieser Situation einer erneuten Konfrontation gesteht die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige: »Ich mache mir große Sorgen um die Partei.« Man habe in den vergangenen Jahren verlernt, sich zu einigen. »Wenn 51 Prozent gewinnen, dann haben auch 49 Prozent verloren.« Johlige begrüßt, dass sich Linksfraktionschef Walter doch noch als Landesvorsitzender zur Verfügung stellte. Er könne mehr als 50 Prozent hinter sich bringen, traut sie ihm zu.

»Diese Entscheidung habe ich mir nicht leichtgemacht, und sie kommt überraschend - auch für mich«, beteuert Walter selbst. Aber nach vielen Gesprächen habe er sich dazu entschlossen. Erst am Freitag wird seine Bewerbung bekannt. Sein Angebot: »Eine starke, selbstbewusste und geeinte Landespartei.«

Die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg wirbt am Sonntag noch für ihren ehemaligen Fraktionskollegen Norbert Müller. »Wir haben so viele Talente. Wir müssen nicht mehrere Hüte auf einen Kopf setzen«, findet sie. Also: Landtagsfraktionschef Walter müsse nicht zugleich Landesvorsitzender sein.

Walter wird es aber am Sonntag doch - mit 89 Stimmen. Er bildet nun eine Doppelspitze mit Slanina, die 87 Stimmen erhält. Es unterliegen Norbert Müller mit 39 Stimmen und Anja Kreisel mit 38 Stimmen.

»Ich bin kein Heilsbringer, ich bin ein Mensch mit Ecken, Kanten und auch Fehlern«, warnt der erst 31-jährige Walter, der als 14-Jähriger zur Linksjugend solid kam, vor möglicherweise überzogenen Erwartungen. Er sagt: »Ich will die Kultur in dieser Partei verändern.« Die angeblichen Widersprüche zwischen der Landesarbeitsgemeinschaft Bewegungslinke und den Genossen im Parlament versteht er nach eigenem Bekunden nicht.

Doch nach den Abstimmungsniederlagen der Bewegungslinken, der Norbert Müller zuzurechnen ist, zieht die ebenfalls dazugehörende Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré enttäuscht ihre Bewerbung als Vizelandeschefin zurück. Es bleiben als Stellvertreter nur Justin König (108 Stimmen) und Julia Wiedemann (102 Stimmen) übrig.

»Wir streiten viel zu oft, sägen gegenseitig an unseren Stühlen«, bedauert die im Amt bestätigte Landeschefin Katharina Slanina. »Es wird Zeit, damit aufzuhören.« Doch am Sonntag geht es weiter wie gehabt. Kommentar

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