Gewerkschaftserfolge machen Schule

Arbeitskampf bringt höhere Löhne und bessere Sozialstandards bei vier Supermarktketten in den USA

  • Jan Tölva
  • Lesedauer: 4 Min.
Selbstbewusster Arbeitskampf von Mitgliedern der United Food and Commercial Workers (UFCW) bereits 2016 in Los Angeles, Kalifornien
Selbstbewusster Arbeitskampf von Mitgliedern der United Food and Commercial Workers (UFCW) bereits 2016 in Los Angeles, Kalifornien

Nicht nur in Deutschland, auch in den USA hat die Pandemie gezeigt, wie essenziell die Arbeit von Angestellten in Supermärkten ist - und wie schlecht bezahlt. Das gilt auch für die vier Supermarktketten der Konzerne Kroger und Albertsons, deren Angestellte in Südkalifornien nach Wochen Arbeitskampf jetzt eine Einigung mit der Arbeitgeber*innenseite erzielt haben.

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Mit am Verhandlungstisch saß Mary Mueller, Mitglied der United Food and Commercial Workers (UFCW). Die Kassiererin in einer Filiale der zu Kroger gehörenden Kette Ralphs in Los Angeles unweit von Hollywood ist sich sicher: »Das Ergebnis, das wir erzielt haben, wird das Leben von sehr vielen Menschen nachhaltig zum Besseren verändern.«

Konkret bedeutet das Ergebnis neben signifikanten Lohnerhöhungen - deren genaue Höhe noch nicht bekannt gegeben wurde -, dass Angestellte in Teilzeit in Zukunft eine garantierte Zahl von Arbeitsstunden haben sollen, was ihnen mehr Planungssicherheit geben wird. Und auch bei der Krankenversicherung soll nachgebessert werden.

Mueller ist überzeugt, dass die andauernde Pandemie eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen gespielt hat: »In den letzten zweieinhalb Jahren haben viele von uns gemerkt, wie wichtig, wie unersetzbar unsere Arbeit ist«, erzählt sie. »Das hat das Selbstbild bei vielen von uns verändert.« Mueller selbst hatte zweimal Covid-19 und musste auch mit ansehen, wie Kolleg*innen an der Krankheit starben. Lohnerhöhungen wie der sogenannte Hero Pay waren jedoch meist nur vorübergehend. Anfangs mussten die Angestellten sogar ihre Schutzmasken selbst kaufen.

Entsprechend sauer seien die Arbeiter*innen gewesen. »Alle hatten die Schnauze voll und waren bereit zu streiken«, sagt Mueller. »In den letzten Wochen war die Stimmung regelrecht elektrisiert.« Es verwundert daher nicht, dass bereits am 27. März die 47 000 Gewerkschaftsmitglieder der sieben an den Verhandlungen beteiligten Wahllokale der UFCW in einer Urabstimmung einem möglichen Streik zustimmten und so den Druck auf die Arbeitgeber*innenseite noch einmal deutlich erhöhten.

Dass die Arbeitgeber*innen die Gefahr eines möglichen Streiks offenbar durchaus ernst nahmen, liegt sicher auch daran, dass sich die Gewerkschaftsbewegung in den USA seit einiger Zeit spürbar im Aufwind befindet. Seit der Präsidentschaft Ronald Reagans in den 1980er Jahren und wegen der Durchsetzung neoliberaler Ideen auf höchster Regierungsebene war der Einfluss der einst so starken Gewerkschaften immer weiter zurückgedrängt worden. In den vergangenen Jahren hat es jedoch eine deutliche Trendwende gegeben.

So wird spätestens seit Bernie Sanders’ Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei 2016 in den USA sogar wieder offen über Sozialismus und Arbeitnehmer*innenrechte gesprochen. Auch machte nur wenige Tage vor der Einigung in Kalifornien die Gründung der ersten Gewerkschaft von Arbeiter*innen bei Amazon in den USA Schlagzeilen. In den Monaten zuvor waren darüber hinaus bereits mehrere Gewerkschaften in Filialen der Kaffeehauskette Starbucks gegründet worden, und Arbeiter*innen bei Kellogg’s und dem Landmaschinenhersteller John Deere hatten erfolgreich für höhere Löhne gestreikt. Erfolge dieser Größenordnung hat es lange nicht mehr gegeben, zumindest nicht derart gehäuft.

Auch bei den Angestellten der Supermärkte in Südkalifornien hat man diese Entwicklungen genau verfolgt. Natürlich habe sie das motiviert, sagt Mary Mueller. Und: »Jeder Erfolg einer Gewerkschaft ist ein Erfolg für uns alle!«

Auch die nächsten Monate dürften durchaus spannend werden. Allein in Kalifornien kündigen sich Streiks von 50 000 studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen an zehn Standorten der University of California an sowie von 22 000 Hafenarbeiter*innen in den Häfen an der US-Westküste. Dass sich die UFCW mit ihren Forderungen nun offenbar weitgehend durchsetzen konnte, erhöht den Druck auf die Arbeitgeber*innen in diesen beiden Fällen - aber auch bei anderen Auseinandersetzungen.

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