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Bis die Gefahr abnimmt
Brave Movement setzt sich gegen sexuelle Gewalt an Kindern ein
Die Sehnsucht nach einem Schlussstrich ist präsent, wenn Wibke Müller über sexuelle Gewalt an Kindern spricht. Das ist ihr Ziel und auch das der Initiative Brave Movement, gleichwohl es ein imaginäres ist, eine Utopie. Das wissen auch die vier Repräsentantinnen und Repräsentanten des Bündnisses, das am Mittwoch in Berlin an die Öffentlichkeit gegangen ist, um seine Agenda vorzustellen.
Brave Movement will das Bewusstsein für die Dimension des sexuellen Missbrauchs schärfen. »Zwei bis drei Kinder aus jeder Schulklasse erleiden solche Gewalt«, erklärte Müller. »Eine von fünf Frauen ist davon im Laufe ihres Lebens betroffen und einer von zehn Männern.« Weil es ein weltweites Phänomen ist, sei es notwendig, dass sich Betroffenen-Organisationen weltweit vernetzen. »Vor zwei Jahren hat es erste Schritte gegeben, uns zusammenzuschließen«, sagte Müller. Vor einem Monat war es dann so weit, Brave Movement ist an die Öffentlichkeit gegangen – um Druck auf die Regierungen aufzubauen, mehr gegen sexuelle Gewalt zu unternehmen.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Mittlerweile hat die Bewegung einen Appell veröffentlicht, mit dem die G7-Staaten aufgefordert werden, auf dem Gipfel Ende Juni in Elmau einen Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt an Kindern zu beschließen. Positive Rückmeldungen habe es bereits von der Bundesregierung gegeben, erzählte Müller. »Staatssekretär Jörg Kukies, der auch deutscher Sherpa für den Gipfel ist, versprach in einem Schreiben an uns, das Thema auf dem Treffen einzubringen.«
Hohe Erwartungen an die G7 unter deutschem Vorsitz gibt es auch in Afrika. »Wir schauen natürlich auf das Gipfeltreffen und hoffen auf Impulse«, erklärte Janet Aguti, die in Uganda Totya Plattform gegründet hat, um Betroffene von sexueller Gewalt zu unterstützen. Schließlich sei es eine globale Aufgabe, entsprechend sollten Projekte in den jeweiligen Ländern unterstützt werden. Für Totya sucht Aguti nach Finanzierungen, um vor Ort Betroffenen weiterhin Beistand leisten zu können. Wie dringend das ist, unterstrich sie: Alleine in ihrem Distrikt seien während der Covid-Krise rund 1000 Mädchen nach Vergewaltigungen schwanger geworden und könnten jetzt nicht weiter die Schule besuchen.
Eine zentrale Forderung von Brave Movement ist der Aufbau eines Fonds, berichtete der Mediziner Paul Zeitz, der aktuell als Interimskoordinator des Bündnisses fungiert und zuletzt Gespräche mit der US- sowie der britischen Regierung geführt hat. »Zehn Milliarden Euro sollten die G7-Staaten aufbringen«, um weltweite Präventivprogramme unterstützen zu können, den Beistand für Betroffene zu sichern und Gerechtigkeitsfragen anzugehen. »Ein Teil der Mittel sollte auch dafür verwendet werden, um auf humanitäre Krisen wie im Ukraine-Krieg reagieren zu können und einen besseren Schutz für besonders vulnerable Gruppen zu organisieren.«
Matthias Katsch weiß, dass es lange dauert, eine Aufarbeitung von sexueller Gewalt voranzubringen. Katsch ist Vertreter des Eckigen Tisches, einer Betroffenen-Initiative, die darauf dringt, Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufzuarbeiten. Und er bemerkt immer wieder den Drang in der Institution, solche Übergriffe zu verstecken. »Es dauert lange, bis die Gefahr abnimmt«, erklärt er. Dieser Satz ist erschütternd, zeigt aber auch, wie groß der Handlungsbedarf ist.
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